Zeitverzögert

Gepostet von | 7 Kommentare

Zeitverzögert

Eigentlich bin ich ein schneller Mensch. Schnell im Denken und Tun, schnell in meiner Auffassungsgabe, schnell im Entwickeln von Lösungen oder Ideen. Umso schwieriger ist es da für mich zu akzeptieren, dass ich einem Bereich sehr langsam bin: nämlich zu spüren, was genau in und mit mir los ist. 

Immer wieder habe erst viel später, also nach einem Konflikt, nach einer Begegnung oder nach einem Erlebnis, für mich benennen können, wie es mir dabei ging. Wie ich mich fühlte, was in mir vorging und was ich dachte. In der Situation selbst war ich so beschäftigt damit, die Situation zu verstehen und zu händeln und wahrzunehmen, was mit dem anderen (oder auch den anderen, wenn es mehrere waren) los war, als dass ich mir hätte die Zeit und Muße nehmen können, die ich brauche, um mich selbst wahrzunehmen. Das kommt dann oft viel später. Dann, wenn eigentlich alles vorbei ist. Dann erst kann ich für mich analysieren und verstehen. Dann kann ich formulieren, was ich empfunden habe, was ich mir gewünscht hätte, was mir gefehlt hat oder auch was gut für mich war. 

Diese Zeitverzögerung macht es nicht leicht. Nicht für die anderen mit mir, weil die z.B. aus allen Wolken fallen, wenn ich etwas noch mal aufrolle, was für sie längst abgeschlossen war, weil mir klar wurde, dass es noch etwas Wichtiges zu sagen gibt. Und auch nicht leicht für mich, weil ich oft das Gefühl habe, den Zug verpasst zu haben. Wie soll ich etwas ansprechen, dass für die anderen vorbei ist? Wie wirkt es, wenn ich nochmal etwas aufbohre, was doch gegessen war? Wie soll es zu verstehen sein, warum ich viel später etwas sage, das von den anderen ganz anders empfunden wurde, weil ich in der betreffende Situation auch tatsächlich ganz andere Signale gegeben habe? 

Je bewusster mir wird, dass ich in vielen Situationen, in denen ich Klarheit von mir fordere, eigentlich total verwirrt bin, desto mehr wird es mir vielleicht möglich, das zu kommunizieren. Zu sagen, dass ich gerade nicht wirklich weiß, was ich fühle oder denke und nicht einfach so zu tun, als hätte ich den vollkommenen Durchblick (denn das kann ich gut, diesen Eindruck zu vermitteln). 

Um achtsam mit mir zu sein, brauche ich Zeit und Ruhe. Zeit zum Fühlen. Zeit für mich. Und diese Zeit zu bekommen, dafür muss ich sorgen. 

7 Kommentare

  1. Liebe Tania,

    mir geht es nahezu immer so, dass ich erst nach einem Konflikt, einer Begegnung verstehen, nachvollziehen und formulieren kann. Vielleicht ist es die Ruhe oder auch der Abstand, die mir den Durchblick ermöglichen. Bei nochmaliger Ansprache ist mir jedoch schon oft aufgefallen, dass sich auch bei der anderen Person noch etwas bewegt hat und die Gespräche im nachhinein immer wichtig waren.

    Die Frage wie und warum man Dinge nochmal anspricht, halte ich nicht für so wichtig. Hauptsache man tut es (auch wenn es für den anderen erledigt ist). Denn allein die Tatsache, dass es für einen selbst nicht erledigt ist, ist es Wert es anzusprechen.

    Welches Vorgehen würdest du dir von deinem Gegenüber wünschen?

    Herzliche Grüße

    Cornelia

    • Hm, ich frage mich im Moment eher, was ich mir eigentlich in diesen Situationen von mir selbst wünsche, denn ich glaube, mein Gegenüber hat gar keine Chance, mitzubekommen, dass ich nicht so schnell bin, wie ich tue. Ich wünsche mir von mir selbst, mir zu erlauben, langsam zu sein.

      Herzlich,
      Tania

  2. Hallo Tania,

    du bist doch auf dem besten Weg, genau das zu erreichen – dir selbst zu erlauben, langsam zu sein. Dass du dieses Bedürfnis spüren kannst, zeigt, dass du achtsam bist. Im Moment wird dir das vielleicht erst im Nachhinein bewusst, aber das ist oft so, wenn sich etwas verändert. Lass deinen Wunsch in dir wirken und bleibe bei dir selbst. Vielleicht kannst du dabei auch auf deine Kreativität vertrauen?

    Liebe Grüße
    Elisa

    • Lieben Dank, Elisa, für Deine Gedanken

      Herzlich,
      Tania

  3. Liebe Tanja,

    du schreibst: „Um achtsam mit mir zu sein, brauche ich Zeit und Ruhe. Zeit zum Fühlen. Zeit für mich. Und diese Zeit zu bekommen, dafür muss ich sorgen“.

    Ich verstehe Achtsamkeit als eine innere Haltung, das heißt, dass wir grundsätzlich achtsam und auch entspannt!! leben können, egal ob wir uns in einer Auseinandersetzung befinden oder uns am ruhigen Strand legen. Achtsamkeit ist kein Inselphänomen, ist kein ich sitze auf meinem Meditationskissen-Ereignis. Es ist eher eine Haltung dem Leben gegenüber.
    Dazu gehört auch wahrzunehmen – nicht achtsam zu sein, wieder in die „ich bin ein schneller Mensch-Haltung“ gerutscht zu sein. Völlig in Ordnung. Wertschätze das was du bist, deine Schnelligkeit, deine vermeintliche Unachtsamkeit. Nimm dich selbst in den Arm dafür – knuddel dich – lache und gehe weiter deinen achtsamen Weg. Achte auf deine Körperempfindungen, wenn du mal wieder in eine „unachtsame“ Situation hineinrutscht. Bei mir war es der Atem. Mein Atemmuster hat sich verändert – wurde schneller, hektischer – eben Flachatmung. Immer natürlich verknüpft mit besonderen Situationen. Dies ermöglichte mir, mein Atemmuster zu regulieren, zur Bauchatmung zurückzukehren, gelassener und achtsam die Situation zu handeln. Auch das braucht ein wenig Übung.

    Beste Grüße
    Cornelia K.

  4. Vielen herzlichen Dank für die wertvollen Beiträge und Anregungen!!
    Prisca

  5. Liebe Tanja, danke dir HERZlichst für deine Gedanken „Zeitverzögert“ dies alles ist auch im Moment bei mir alles present…könnte ich selbst geschrieben haben.
    Ich glaube wir müssen uns oft einfach ein bisschen in Geduld üben, vor allem mit uns selbst!!!
    Wünsche dir/ uns dabei gutes Gelingen 🙂
    NB: freue mich immer sehr auf deine Beiträge: Gedanken, Texte und Bilder/Fotos. Herzlichen Dank dafür und liebe Grüße Maria

Schreibe einen Kommentar zu Cornelia Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert