Achtsamkeit

Hier finden Sie einige persönliche Erfahrungen und Gedanken zu dem, was Achtsamkeit für mich ausmacht.

Was ist Achtsamkeit?

  1. Achtsamkeit  ist für mich eine Fähigkeit – achtsam zu sein ist für mich die Fähigkeit, bewusst wahrzunehmen.
  2. Achtsamkeit ist ein Zustand – Achtsamkeit ist für mich kein Tun, sondern ein Sein.
  3. Achtsamkeit ist inzwischen eine Lebensnotwendigkeit – ohne Achtsamkeit verliere ich mich.
  4. Achtsamkeit ist ein ganz wundervolles Geschenk – sie bringt mich mir selbst und damit auch anderen näher und macht mein Leben reich und bunt.

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Noch vor gar nicht allzu langer Zeit wäre ich dem Begriff „Achtsamkeit“ beruflich begegnet und hätte ihn mir über die vielen Bücher, Artikel und Programme erarbeitet, die es inzwischen dazu gibt. Denn, ja, Achtsamkeit ist offenbar ein (Trend-)Thema, das viele bewegt. Als ich nach einem Namen für meine neue Seite suchte und auf „Mein achtsames Ich“ kam, recherchierte ich ein bisschen im Internet und war verblüfft: Es gibt sogar so etwas wie eine Achtsamkeitsforschung und natürlich auch Übungen dazu, Anleitungen, Ratgeber und.. und… und…

Nun bin ich zu dem Begriff Achtsamkeit aber genau nicht durch ein Buch, durch ein Programm oder eine Übungsanleitung gekommen, sondern das Leben hat mir meine Achtsamkeit als eine Art Rettungsboot geschickt. Wenn Sie meine Selbstvorstellung für diese Seite gelesen haben, verstehen Sie ein bisschen besser, was ich damit meine.

Immer schon da, nur nie bewusst gelebt …

Interessanterweise begleitet mich Achtsamkeit schon mein ganzes Leben – nur bin ich mir dessen lange nicht bewusst gewesen. Ich war immer schon sehr aufmerksam und sensibel und es macht mich seit meiner frühesten Kindheit aus, dass ich Gefühle, Stimmungen und Schwingungen um mich herum genauso intensiv wahrnehmen kann wie Farben, Formen, Details, Töne, Gerüche und anderes mehr. „Du bist aber empfindlich.“ diesen Satz habe ich von Kindesbeinen an immer wieder gehört, so oft, dass ich intensiv daran arbeitete, eben genau nicht so „empfindlich“ zu sein, zumindest nach außen. Heute weiß ich, dass ich nicht „empfindlich“ bin, sondern dass ich empfindsam bin und dass mich genau das ausmacht. Eine Erkenntnis, die ich mir hart erkämpft habe.

Statt meinen Wahrnehmungen zu vertrauen, empfand ich mich schon in jungen Jahren als „falsch“. Statt meine Wahrnehmungsfähigkeit als ein kostbares Geschenk zu begreifen, sah ich sie als Makel, als Fehler und ja, empfand sie oft auch als lästig und störend, denn sie machte mich „anders“. Und sie überforderten mich oft massiv, weil ich keine Ahnung hatte, was eigentlich geschah, weil ich mich selbst nicht verstand. In meinem Bestreben „normal“ zu sein, verdrängte ich immer mehr von mir selbst. Verzweifelt versuchte ich das Außen zu kontrollieren, weil mein Inneres so unkontrollierbar erschien und ich baute konsequent an einem Außen, in dem mein wahres Ich immer weniger sein durfte.

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Nur wenn ich allein mit mir war (und ich verstehe erst heute, warum ich das Alleinsein so oft gesucht habe), erlaubte ich mir das Wahrnehmen. Da konnte ich all das, was ich spürte, sah, hörte, roch, schmeckte und „empfing“, wirklich zulassen. Meine Wahrnehmungen waren die Quelle meines Schreibens und anderer kreativer Tätigkeiten und so schrieb und malte ich nur, wenn ich allein war.

Schon immer saugte ich meine Sinneseindrücke auf wie ein Schwamm. Großes, Buntes, Auffälliges, aber vor allem auch Kleines, Unscheinbares, Wundervolles, das von vielen ganz unbeachtet blieb. Ich behielt das meiste davon für mich selbst, weil es in der „normalen Welt“ nicht angemessen schien, so zu empfinden, wie ich es tat. Vom Verstand her verbot  ich mir diese Spinnereien, wenngleich in einem ständigen Kampf dieses Sein seinen Ausdruck suchte – eine innere Zerrissenheit die zu einem Dauerkrieg mit mir selbst führte. Und je fester die Überzeugung in mir wurde, falsch zu sein, desto härter wurden meine Anstrengungen, mir eine Existenzberechtigung zu schaffen, indem ich an einem perfekten Leben arbeitete: einer Fassade, die so gut war, dass ich immer mehr selbst an sie glaubte – bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie komplett in sich zusammenfiel.

Achtsam für mein Sein

Heute weiß ich, dass ich in manchen Bereichen tatsächlich anders bin als viele andere Menschen (aber auch, dass es andere Menschen wie mich gibt). Wenn ich z.B. in einem Raum bin, in dem viele Leute sind, nehme ich neben den Gesprächen, die ich höre, auch Gefühle wahr, Wechselwirkungen, Stimmungen. Sie sind für mich so präsent wie für andere Menschen Äußerlichkeiten oder gesprochene Worte. Früher war ich im Zusammensein mit anderen oft vollkommen überfordert und gab natürlich mir die Schuld. Heute weiß ich, dass ich einfach nur nicht begriff, dass die Gefühle und Stimmungen, die ich im Zusammensein mit Leuten empfand, nicht meine eigenen waren. Heute verstehe ich auch die Irritation und Abwehr vieler Menschen viel besser, die, wenn ich ihnen Sachen sagte, derer sie sich selbst gar nicht bewusst waren (einfach weil ich sie spürte), mich mit einem „Was du dir immer einbildest.“ stumm machen wollte. Heute weiß ich auch, wie wichtig es ist, bei mir zu bleiben (also achtsam zu sein!), um unterscheiden zu können zwischen meinen Gefühlen und Stimmungen und denen der anderen Menschen – und das zum einen, um mich selbst zu schützen, aber zum anderen auch, um die Grenzen anderer Menschen respektieren zu können.

Bewusst achtsam zu werden begann bei mir damit, dass ich mich mir selbst zuwandte, um überleben zu können. Ich hatte mich so weit von mir entfernt, hatte mich so allein gelassen und hatte mich in ein so unpassendes Leben gedrängt, dass ich in winzig kleinen Schritten lernen musste zu erkennen, was ich eigentlich brauche. Das begann mit ganz einfachen Dingen wie Nahrung, Schlaf und Pausen. Eigentlich selbstverständlich, aber wer sich selbst verliert, nimmt nicht mehr wahr, was er braucht. Ich weiß heute so viel besser, was ich brauche, um mich satt zu fühlen (nicht nur körperlich), was mir fehlt, wenn ich mich unwohl fühle und was mir nicht gut tut. Seitdem ich achtsamer mir selbst gegenüber bin, kann ich überhaupt erst für mich sorgen. Und seitdem ich für mich selbst sorgen kann, kann ich auch erst anderen wirklich etwas geben. Etwas von MIR geben, aus meinem Sein heraus, aus meinem achtsamen Sein.

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Ich habe das alles aufgeschrieben, weil ich immer wieder erlebe, dass viele von uns sich in ihrem ganz eigenen Sein ablehnen und versuchen, jemand anderes zu sein, von dem wir glauben, er sei besser als wir selbst. Damit aber verlieren wir ganz viel von dem, was uns ausmacht!

  • Wir verlieren das Gespür für uns und können Fragen danach, was wir brauchen, was wir uns wünschen, was wir möchten gar nicht beantworten.
  • Wir haben immer weniger Zugang zu den ganz besonderen Qualitäten, die uns zu dem besonderen Menschen machen, der wir sind.
  • Wir verlieren unsere eigene Stimme, unser eigenes Sein.

Achtsamkeit hilft dabei, all das wieder zurückzugewinnen.

 

15 Kommentare

  1. Danke für diese lieben Worte, diese haben mich sehr berührt, weil es so wahr ist.
    Achtsam mit sich selbst umgehen, ja da bin ich auch dabei. Leider hat die Zeit bis dahin viel zu lange gedauert,
    Danke für diese Zeilen und alles Liebe weiterhin,
    herzlichst Karin

    • Hallo Karin,

      herzlichen Dank für Deine Zeilen!

      Alles Gute,
      Tania

  2. Liebe Tania,
    das ist ja für mich kaum zu glauben – Dir geht/ ging es genauso wie mir, daß Du um Dich herum Stimmungen, Gefühle, Schwingungen wahrnehmen kannst. Bislang habe ich garnicht für möglich gehalten, daß es Menschen gibt, die ebenso empfinden. Auch ich erlebe die Verwirrung der fremden Wahrnehmungen mit meinen eigenen.
    Und ich kenne das Gefühl wie das bei dem Gegenüber ankommt, wenn der nicht darum weiß, was man selbst erspürt hat. Um andere nicht zu verletzen und selbst nicht abgelehnt zu werden, halte ich mich nun eher zurück oder versuche mich abzulenken. Und mich wahrzunehmen fällt doch um so viel schwerer…
    Mich haben Deine Zeilen sehr berührt!
    Ich wünsche Dir alles Gute – Corinna

    • Liebe Corinna,

      schön, dass Du hergefunden hast. Ich freue mich über Deine Zeilen.

      Ganz herzlich,
      Tania

  3. Das mit den Gefühlen und Stimmungen ist bei mir auch so, genauso die Sensibilität. Auch das anders sein wollen (wobei ich das schon länger aufgegeben habe) und der schlechte Zugang zu meinen Bedürfnissen (da bin ich grade dran). Diesen Prozess achtsamer zu werden mache ich gerade eben durch und freue mich, gerade jetzt deine Seite gefunden zu haben. Dann lese ich mich hier mal ein bisschen ein. Vielen Dank fürs Teilen!

    • Liebe Sonja,

      schön, dass Du hergefunden hast!

      Ganz herzlich,
      Tania

  4. Hallo Tania,
    ich bin auf diese Seite soeben gestoßen, weil ich im Netz etwas gesucht habe, dass mich aus meiner aktuellen Lebenssituation herauskatapultiert! Beim Lesen Deiner Zeilen laufen mir gerade die Tränen. Ich bin seit ca. 10 Jahren in unregelmäßigen Abständen bei einer Heilpraktikern/Subervisorin in Behandlung im immer mal anstehende Lebensfragen zu bearbeiten. Dort habe ich schon einiges über mich herausgefunden. Ich weiß sehr gut was Du mit „die Gefühle und Empfindungen der Anderen wahrnehmen“ meinst – mir geht es auch seit der Kindheit so. Ich habe schon immer viel beobachtet und wahrgenommen – wobei ich manchmal denke, ich komme von einem anderen Planet. Es strengt unheimlich an, sich überall gefühlsmäßig einzufinden. Ich arbeite seit 10 Jahren in der Firma meines Lebensgefährten, habe ein 6-jähriges Mädchen. Wir wohnen auf dem Dorf, die Firma läuft sehr gut – und ich bin trotzdem nicht zufrieden/bzw. mich wirft es seit einigen Jahren ständig aus der Bahn – mit dem Zwang mich ständig auch wieder zusammen zu reißen – um weiter zu machen -> denn wenn ich aufhöre in der Firma zu arbeiten ziehe ich einen Rattenschwanz an Katastrophen herbei! Tut mir leid, wenn ich ein bisschen viel als Kommentar abgeben habe ich könnte noch Seitenweise schreiben 🙂 Ich bin froh diese Seite gefunden zu haben – denn ich bin auch „sehr empfindsam“ und ich hoffe auf diesem Weg zu lernen besser damit umgehen zu können. Ich hoffe auch den Mut zu finden endlich wieder auf meine Innere Stimme hören zu können – um wieder zu leben.
    Manuela (36 Jahre)

    • Hallo Manuela,

      herzlichen Dank für Deine Zeilen, ich freue mich, dass Du hergefunden hast. Hast Du schon mal was von „Hochsensibilität“ gehört? Vielleicht findest Du darunter noch einige Erkenntnisse für Dich.

      Alles Gute für Dich,
      Tania

  5. Danke Tania,
    ich hab’s mal gegoogelt. Ist ziemlich treffend und könnte einiges erklären! Ich werde mich damit einmal beschäftigen.
    Vielen vielen Dank.
    Alles Gute auch für Dich.
    Manuela

  6. Liebe Tania,
    ich bin gerade so berührt und aufgeregt und hoffnungsvoll. Zum ersten Mal in meinem Leben – und ich werde bald 40 – beschreibt jemand, wie ich fühle. Wie viel ich fühle und wahrnehme, wie sehr diese Eindrücke von anderen meine Selbstwahrnehmung überdecken. So als würde man in einer Disco versuchen, ein Lied zu singen und hoffen, sich selbst hören zu können. Wie sehr habe ich mir oft gewünscht, weniger wahrzunehmen, habe diese Gabe verflucht. Ich bin so dankbar, auf Deine Seite gestoßen zu sein. Ich werde jetzt noch weiter lesen und hoffe, aus Deinen Erfahrungen und denen anderer einen Weg für mich bauen zu können, mit dieser Gabe glücklich zu leben und gut für mich zu sorgen. Und vielleicht kann ich diese Gabe ja sogar nutzen, statt nur mit ihr umzugehen. Und vielleicht gibt es ja auch irgendwann mal die Möglichkeit, Menschen mit einem ähnlichen Fühlen persönlich zu treffen oder sich wenigsten in einem Forum austauschen zu können. Ach, ich sprudle gerade über. Eigentlich wollte ich Dir vor allem danken!

    • Liebe Anja,

      ich freue mich sehr über Deine Zeilen und, ja, ganz sicher kannst Du Deine Gaben auch nutzen – für Dich und andere!

      Alles Gute,
      Tania

  7. Es ist schön zu wissen, dass es euch alle gibt und wir damit nicht allein sind! Nur Frage ich mich, wie man damit für sich selbst konkret am besten umgehen kann. Ich hoffe so, den richtigen Weg zu finden. ♡ ♡ 26 Jahre

    • Hallo Bella,

      schön, dass Du hergefunden hast. Womit genau fragst Du Dich, wie man am besten umgehen kann?

      Herzlich,
      Tania

  8. Liebe tania

    Unglaublich !! Da gibt es jemanden der genau mein Empfindungen beschreibt ?!?!!

    Deine Worte trafen mich…fast wie eine Erlösung von langen…ja, man kann sagen

    Qualen!! Wie schwierig ist es, ohne sich selbst zu besitzen durchs Leben zu gehen?!

    Wie einsam, mutlos unsicher fühlt man sich ….besonders in Gesellschaft .

    Die scheinbare Rettung ist dann die Einsamkeit ! Durch Deine Texte finde ich

    Langsam zu mir und weiss nun, dass ALLES SEIN DARF !!! Auch und für mich…gerade

    ICH selbst, mit allen Eigenschaften

    Meine Hoffnung auf das Ende einer jahrelangen Depression scheint näher zu rücken.

    Ich arbeite daran mir den Weg zu mir zu ebnen, mich zu entdecken und neu zu spüren.

    Endlich wieder zu leben !

    Sonne über Deinen Weg ! In tiefer Dankbarkeit !

    Margret

    • Liebe Margret,

      ich freu mich sehr über Deine Zeilen, ganz, ganz herzlichen Dank!

      Alles Gute,
      Tania

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