Das achtsame Ich

achtsamesich_ill1Wie ich es unter Mein Weg schon etwas ausführlicher beschrieben habe, erwachte mein achtsames Ich in einer Zeit, in der ich so verloren war, dass es nur einen Weg gab: mich mir selbst zuzuwenden. Vielleicht zum ersten Mal erlebte ich ganz bewusst Mitgefühl mit mir selbst, etwas, das mir anderen gegenüber immer schon leicht fiel, ich mir aber selbst immer verwehrt hatte.

Ich schreibe bewusst von Mitgefühl, nicht von Mitleid. Mitleid war mir schon immer sehr vertraut, diese destruktive Art, sich selbst noch kleiner zu machen, als man sich eh schon fühlt. Nein, es war Mitgefühl. Ich nahm mich in meinem Schmerz wahr, wie ich da in den Trümmern meines vorher ach so perfekten Lebens saß und keine Ahnung hatte, wie ich weitermachen sollte. Ich spürte, wie sehr ich mir mit meinen Gedanken, Tagen und Entscheidungen oft selbst geschadet hatte und dass es an der Zeit war, endlich für mich selbst da zu sein.

Nicht fort, nur verdrängt

Das achtsame Ich war ein Teil meiner Persönlichkeit, den ich immer wieder mit allen Mitteln wegzudrängen versucht hatte, denn ich war so sehr nach außen gerichtet, so bemüht herauszufinden, was man wohl von mir erwarten könnte und wie ich wohl sein sollte, dass ich eines gar nicht wollte: auf mich selbst hören. Mein achtsames Ich war aber nie verschwunden, es hatte sich nur zurückgezogen und gewartet. Gewartet auf den Moment, an dem ich bereit sein würde, es zu spüren.

Erst hatte ich natürlich keine Ahnung, was sich da in mir regte, was da erwachte und größer und stärker wurde. Ich glaube, zum ersten Mal entdeckte ich mein achtsames Ich auf einem Foto. Ich hatte damit begonnen, Selbstporträts zu machen, sie ermöglichten mir, mich selbst mit einem gewissen Abstand zu sehen und mich geradezu immer wieder neu zu entdecken. Und auf einem Foto sah ich mich, wie ich nie geahnt hatte, dass ich aussehen könnte. Es zeigte sich ein so zufriedenes, glückliches und leuchtend-strahlendes Gesicht, dass ich gar nicht anders konnte, als mich sofort gut zu fühlen. Denn klar: ich sah ja mich, also musste ich das, was auf dem Foto zu sehen war, in mir haben. Erst war es nur ein kleiner Zipfel, aber diesen Zipfel hielt ich fest und fand ihn auch immer wieder, wenn ich ihn doch wieder verlor. Mein achtsames Ich war da und wollte nicht mehr fort. Wie gut!

Ein kostbarer Teil in uns

Ich glaube, dass das achtsame Ich ein kostbarer Teil in jedem von uns ist. Es ist das Gespür dafür, was wir brauchen, was uns gut tut und was uns wichtig ist. Ich glaube, dass das achtsame Ich unser ureigenstes Sein ist und dass seine Aufgabe ist, dass wir gut für uns sorgen und uns erlauben, wir selbst zu sein.

In dem Wort Achtsamkeit steckt das Wort Achtung, und zwar Achtung im Sinne von Respekt. Mein achtsames Ich erwachte in dem Moment, als ich mir selbst die Berechtigung zum Sein gab: Du darfst sein. Dieser vielleicht so selbstverständlich wirkende Satz ist für viele von uns leider ganz und gar nicht selbstverständlich. Für mich ist mein achtsames Ich heute mein Ja zu mir. Indem ich achtsam mit mir bin, schätze ich mich wert und sorge für mich. Ich erwarte nicht mehr, dass andere erkennen, was ich brauche und mir geben, was mir fehlt, sondern ich bin immer öfter in der Lage, für mich zu sorgen und auch zu sagen, was ich brauche oder was mir nicht gut tut. Auf diese Weise wird mein Alltag reicher, kann ich alte Wunden heilen und mein Sein nähren und düngen, sodass es sich weiter öffnen und wachsen kann.

Und all das ermöglicht es mir nun erst meinerseits, anderen wirklich etwas geben zu können.

Was wir bekommen können

Unser achtsames Ich kann Fragen wie diese beantworten:

  • Was ist wirklich gut für mich?
  • Was brauche ich, um satt zu werden?
  • Was erfüllt mich?
  • Was sind Tätigkeiten oder Erlebnisse, die mich bereichern?
  • Was lässt mich wachsen?
  • Was brauche ich, um ich zu sein?
  • u.v.m.

 

10 Kommentare

  1. Liebe Tania!

    Ich gratuliere Ihnen!

    Sie haben sich selbst gefunden!

    Ich lese gerade einen Artikel im aktuellen DM-Heft Beilage a tempo:
    Mitten unter euch heißt der Artikel von Wolfgang Held, davon ich besonders interessant finde:
    … Individualismus und Freundschaft sind somit die geistigen Formen von Selbständigkeit und Beziehung
    Der Weg der Selbstfindung ist das Wesentliche!

    Herzliche Grüße!

    Meine Hoch-Achtung!

    Klaus

    • Wow,

      so ein schöner Kommentar am Ende diesen langen Tages, an dem ich diese Seite online gestellt habe. Sie ist schnell gefunden worden!

      Ich freu mich, sage danke und falle nun müde ins Bett.

      Ganz herzlich,
      Tania

  2. Liebe Tanja,
    ich gratuliere Dir von ganzem Herzen für Deine neue tolle Seite. Und ich freue mich so sehr für Dich, dass Du Deinen Weg gefunden hast. Schön, dass wir Deine Erkenntnisse und Eindrücke erlesen können. Danke dafür. Deine Zeilen sind Augenöffner, Bestätiger, Nachdenklichmacher, Ansporner,…
    Von ganzem Herzen alles Liebe für Dich,
    Anja

  3. Liebe Tania,

    vielen Dank für diese neue Seite und auch für all die vielen Beiträge in den Jahren davor!

    Wenn ich Ihre Betrachtungen lese, meine ich jedes Mal, Sie würden mir einen Spiegel vorhalten.
    Danke auch, dass Sie uns an Ihrer Selbstreflexion teilhaben lassen und für Ihre Offenheit.
    Sie glauben gar nicht, wie mir das weiter hilft!

    Ich freue mich sehr darauf mehr von Ihnen zu lesen,

    herzliche Grüße

    Andrea

  4. Ganz herzlichen Dank, Anja und Andrea, ich freu mich sehr über diese Rückmeldungen!

    Alles Gute,
    Tania

  5. Meine herzlichsten Glückwünsche zu so einer tollen neuen Seite und neuen Gedanken….lese sie heute erst richtig und finde mich darin schon jetzt wieder, genauso wie in vielen anderen Themen von der „alten“ Seite….vielen Dank dafür!! Freu mich auf mehr….Liebe Grüße und alles Gute.
    Maren

  6. EIN HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH ZU DER TOLLEN NEUEN SEITE!!JETZT BEIM 1 MAL LESEN FINDE ICH SIE SCHON GANZ SCHÖN UND FINDE VIEL FÜR MICH!
    EINE TOLLE NEUE SEITE ZU DER „ALTEN“ DIE ICH AUCH IMMER GERNE FÜR JEDE LEBENSLAGE GELESEN HABE!!
    VIELEN DANK UND ICH FREU MICH AUF MEHR…..
    liebe Grüße Maren

  7. Dankeschön, Maren!

    Weiterhin viel Freude hier und herzliche Grüße,
    Tania

  8. Hallo liebe Tania!
    Ich habe gerade dein Artikel gelesen,entschuldigung habe einfach du gesagt,weiß garnicht ob ich es darf!!Ich gehe jetzt mein eigenen Weg,habe festgestellt das man es sowieso keinen „Recht“ machen kann!!
    Liebe Grüße
    Birgit

    • Liebe Birgit,

      „Du“ ist vollkommen ok 🙂

      Herzlich,
      Tania

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