Eine kleine Szene, die mich vor einigen Tagen sehr anrührte: Auf dem Weg nach Hause kamen mir eine junge Mutter und ihre Tochter entgegen. Die Kleine lief fröhlich zu jeder Haustür und versuchte, diese zu öffnen. Wahrscheinlich ging das Spiel schon länger so, denn die junge Mutter wirkte sichtlich genervt und ermahnte ihre Tochter scharf, dass sie das sein lassen solle. Als ich in meinem Hausflur verschwand, hörte ich das Mädchen kurz danach weinen.
Einmal tat mir diese Szene für die junge Mutter weh, die ganz sicher nicht so sein wollte. Wenn es ihr möglich gewesen wäre, von außen auf sich und ihre Tochter zu schauen, hätte sie bestimmt viel weicher und verständnisvoller reagieren können oder wenn sie selbst weniger Stress hätte oder besser für sich sorgen könnte oder was immer die Ursache für die unwirsche Reaktion gewesen ist.
Wirklich rührte mich aber das kleine Mädchen an. Sie rannte mit derselben begeisterten Hoffnung zu jeder einzelnen Tür, in der Erwartung diese öffnen zu können und nachzuschauen, was wohl dahinter wäre. Es war ihr egal, dass alle bisherigen Türen verschlossen gewesen waren, unbeirrt hoffte sie auf die nächste und das mit einer Energie, als würde dahinter ganz sicher etwas ganz Großartiges sein.
Haben wir als Kinder alle diese Fähigkeit?
- Wenn ja, wann verlieren wir sie? Und warum? Wenn zu viele Türen verschlossen sind? Wenn uns verboten wird, fremde Türen zu öffnen? Oder wenn wir lernen, dass nicht hinter allen Türen auch etwas Gutes steckt?
- Und wenn nein, was macht es aus, diese begeisterte Hoffnung erleben zu dürfen? Ist es ein Persönlichkeitsmerkmal oder etwas, das wir gelernt haben? Wodurch oder von wem?
Ich weiß, dass ich mal genau wie dieses kleine Mädchen war – losrennen und Tolles erwarten. Jede Klinke ausprobieren und fest davon ausgehen, dass etwas Tolles kommen wird. Es gibt viele Gründe, warum ich heute nicht auf die Idee komme, einfach Türen öffnen zu wollen, und viele davon sind traurig. Traurig, weil ich mich damit selbst von etwas abschneide, was kostbar und wunderschön ist.
Als ich das kleine Mädchen sah, spürte ich, wie ein Teil in mir mit ihr zur nächsten Tür laufen wollte. Ich habe es also noch in mir! Diese Erkenntnis ist das Geschenk, das die kleine Begegnung heute für mich bereithält: dass ich meine kindliche Fähigkeit, an das Gute zu glauben, nicht wirklich verloren habe. Was für eine kostbare Erkenntnis.
Ich denke, es ist sehr lohnenswert, einmal zu überlegen, welche Eigenschaften oder Fähigkeiten es waren, die uns als Kind ausgemacht haben – und wie viele wir davon heute noch leben oder vielleicht wieder aktivieren können.
Liebe Tania,
Erst jetzt lese ich diese Geschichte von der Lust, eine Tür nach der anderen zu öffnen, in freudiger Erwartung! Was für eine wunderschöne Adventsgeschichte…und damit heute die Überraschung hinter meinem Nikolaustagstürchen.
Adventliche Grüße von Birgit
Hallo Tania,
Vielen Dank für diese wunderschöne Geschichte. Ich habe mich beim Lesen wieder selbst in meine Kindheit zurückversetzt gefühlt. Ich bin auch der Meinung, dass wir von Kindern sehr viel lernen können. Oft müssen wir Erwachsene nur dieses „das gehört sich ja nicht“-Denken ablegen und befreiter an die Sache herangehen.
Wenn wir selbst Kinder haben, soll eine unsere Aufgabe darin bestehen, ihnen diese Begeisterungsfähigkeit zu bewahren.
Danke und lg,
Thomas
Vielen Dank für diese schöne Geschichte, die Herz und Tor öffnet
LG, Christian