Was für ein Ding denn?

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Was für ein Ding denn?

„Mach dein Ding“ ist eine der wichtigsten Leitlinien der aktiven Lebensgestaltung und Persönlichkeitsentwicklung. Klingt ja auch toll: herausfinden, was man will und das dann tun – dann wird man zwangsläufig glücklich und zufrieden sein, nicht wahr?

…nur: Was ist das eigentlich, dieses „Ding“?

Ein Problem besteht allein darin, dass es alles andere als leicht ist, das eigene Ding herauszufinden. Einmal ganz grundsätzlich, aber dann auch im Laufe der verschiedenen Lebensphasen. Dass wir manchmal auch ganz verschiedene „Dinge“ wollen und brauchen, die sich unter Umständen auch noch widersprechen, macht die Sache nicht wirklich leichter. 

Nun scheinen andere oft besser zu wissen, was unser Ding ist als wir selbst, kennen Sie das auch? Familienmitglieder, Freunde, Bekannte, Mentoren, Vorgesetzte, Kollegen, Coaches, Bücher, Tests… – Auch ich habe oft geglaubt, das ich auf andere hören sollte, wenn es darum geht, was ich will. Oder zumindest habe ich angenommen, dass es gut ist, das zu wollen, was andere denken, dass ich es will. Später habe ich dann oft genug festgestellt, dass das, was andere mir zuordneten, viel mehr mit ihnen als mit mir selbst zu tun hatte, sei es, dass sie mich nicht wirklich kannten, sei es, dass sie mich reduzieren wollten, weil das einfacher für sie war, sei es, dass sie eigentlich an ihr eigenes Ding dachten oder was auch immer… Und anders herum, war ich Meisterin darin, mein „Wollen“ auf die Erwartungen anderer abzustimmen, so dass ich praktischerweise oft genau das wollte, was anderen gefiel. Das ging soweit, dass selbst komplexe Persönlichkeitstests mir mein Wollen so passgenau auf die Erwartungen anderer zuschnitten, dass ich selbst erst viel später erkannte, wie wenig vieles davon wirklich „meins“ war. (Erfreulicherweise hat mich all das nie davon abgehalten auch ganz viele andere Sachen zu machen, denn eines wusste ich schon immer: nur ein Ding ist nicht mein Ding!) 

Wenn Sie mich heute fragen, was „mein Ding“ ist, so kann ich es Ihnen immer noch nicht genau sagen.  Bücher Schreiben ist mein Ding, bloggen und Schreibkurse geben. Das Fotografieren mit dem iPhone und das Bearbeiten der Bilder damit ist mein Ding, das Fotografieren mit meiner Nikon ohne jede Bearbeitung auch. Das Malen mit Acryl auf Leinwand ist mein Ding, das Zeichnen und das Malen mit Kreiden oder Finelinern auch. Pferde sind mein Ding, Tiere, Pflanzen und Natur. Sachen selbst zu machen, Handarbeiten und Kreatives ist mein Ding. Reisen, fremde Länder und die ganze Welt entdecken ist mein Ding.  Träumen, fühlen und einfach nur sein ist mein Ding. Staunen, mich begeistern und lieben ist mein Ding. Mich bewegen, tanzen und Musik ist mein Ding. Allein sein und zusammen mit Gleichgesinnten sein ist mein Ding … Ich könnte diese Liste noch endlos weiterführen, denn: Vielfalt ist mein Ding! 

Es mag Menschen geben, die ihr Ding auf weniger reduzieren können und ja, sicher gibt es auch welche, die wirklich im Wesentlichen EIN Ding haben und glücklich damit sind, das zu tun. Mein Eindruck ist aber, dass die meisten Menschen nicht auf eine Sache zu reduzieren sind. Die Maxime, irgendwann endlich das eigene Ding zu finden, führt häufig zu einem großen (Leidens)Druck, denn die gefühlte Unfähigkeit sich entscheiden zu können (die oft nur ein gesunder Unwille ist, sich selbst zu beschneiden), gibt einem das Gefühl, falsch zu sein. In der Folge fragt man noch mehr Leute nach ihrer Einschätzung, kauft man noch mehr Bücher, bucht noch mehr Coachings, macht noch mehr Seminare, denn irgendwie muss man es doch endlich mal schaffen, das eigene Ding zu finden. Aus meiner Erfahrung aber bewegt man sich genau dadurch oft immer weiter weg von diesem Ziel, weil man sich selbst immer ferner wird. Man sucht sein Ding im Außen, obwohl es nur im Innen zu finden ist. 

Mir ist klar geworden: „Unser Ding“ ist eben gerade kein Ding, sondern unser Ding ist immer eine hochkomplexe Mischung aus Liebe und Lust, Begeisterung und Leidenschaft, aus Interessen und Sinn, aus Vermögen und persönlichen Grenzen. Es wird beeinflusst durch unsere Geschichte und Prägung, durch das, was wir erfahren und erleben, durch unser Scheitern und Wachsen, genauso wie es von unserem Sein beeinflusst wird, also von unserer Persönlichkeit, unseren Ängsten und Hoffnungen, von unseren Bedürfnissen und von dem, was uns ausmacht. Unser „Ding“ ist vielleicht das, was unsere Seele erfahren möchte.

Der Wunsch, das eigene Ding auf eine oder wenige Sachen zu begrenzen, ist natürlich verständlich, denn dann lassen sich daraus die schicken Ziele formulieren, aus denen wir dann übersichtliche Schritt-für-Schritt-Maßnahmenpläne und praktische To-do-Listen machen können. Und die geben uns das gute Gefühl (oder sollte ich es besser Illusion nennen?), wir seien ganz sicher auf dem direkten Weg ins Glück, denn schließlich wissen wir ja ganz genau, was wir dafür brauchen. Für mich aber geht das inzwischen vor allem an einem vorbei: am Leben. 

Für mich ist das Leben keine Leiter, die man hinaufklettern kann und oben angekommen bekommt man dann den erhofften Preis überreicht. Das Leben ist keine Abhak-Liste. Das Leben ist lebendig. Es ist quirlig und unruhig. Es fordert und es schubst uns, es lockt und verführt uns, es verzaubert und verwirrt uns, es lässt uns lernen und wachsen, es stellt uns vor Tatsachen und es öffnet Türen. Es hat seinen eigenen Willen und vor allem hält es für jeden von uns ungeahnte Schätze und Möglichkeiten bereit. Die werden wir aber nur dann entdecken, wenn wir uns nicht darauf versteifen, „ein Ding“ zu finden, sondern wenn wir uns öffnen für die Fülle, die uns das Leben bietet. 

Kurz und gut: Mein Ding ist inzwischen, kein Ding zu haben – mein Ding ist zu leben. 

7 Kommentare

  1. Liebe Frau Konnerth,

    ein wirklich sehr toller Artikel. Er berührt, inspiriert und beruhigt mich zugleich.
    Herzlichen Dank dafür!

    Viele Grüße und bis bald,
    Carina Seewald

    • Ganz herzlichen Dank, Frau Seewald.

      Alles Gute,
      Tania Konnerth

  2. Hallo Tania,

    das ist ja lustig: Für mich bist Du der Inbegriff einer Person, die ihr Ding macht! Denn alles, was Du tust und schreibst, ist Dein Ding, sonst wärst Du nicht so authentisch. Und dabei ist es doch völlig belanglos, ob es ein Ding oder mehrere Dinge sind, darum geht es meiner Meinung nach gar nicht. Also ich finde sehr wohl, dass Du Dein Ding machst, und zwar ausgesprochen kreativ. Vielleicht ist Dein Ding ja einfach „Kreativität“?

    Liebe Grüße und alles Gute von Karin

    • Hmmm, selbst mit „Kreativität“ fühle ich mich eingeschränkt 😉 –manchmal können nämlich auch ganz stumpfe Aufgaben „mein Ding“ sein 😉 😉 😉

      Herzlich,
      Tania

      • Na, das ist doch super, wenn Du sogar stumpfe Aufgaben zu Deinen Dingen zählen kannst! Dann bist Du doch quasi ständig in der Selbstentfaltung und genau das ist m.E. damit gemeint, „das eigene Ding“ zu machen.
        LG – Karin

        • So gesehen…, auch wieder wahr 😀

          Herzlich,
          Tania

  3. Liebe Tania,

    ich denke auch, dass mein Ding machen heißt, mein Leben so zu führen, wie ich es gerade für gut halte.
    Vielleicht kleide ich mich heute so und morgen anders. Vielleicht ist eher sportliche und lässige Kleidung mein Ding; trotzdem gibt es Tage und und Anlässe, an denen ich selbst andere Dinge, andere Kleidung ausprobieren möchte und herausfinden möchte, was zu mir passt und da möchte ich nicht schon in der Probierphase hören: „das ist doch nicht dein Ding“…
    So gibt es Menschen, die mich dabei unterstützen, mein Ding, in diesem Fall mein Kleid zu finden, ohne schon im Vorfeld zu meinen, was mein Ding ist. Und die sind eine wahre Unterstützung. Vielleicht bringen sie mir was ganz Verrücktes zur Kabine und wir können zusammen lachen und vielleicht ist genau für diesen Momemt auch das verrückte Oberteil mein Ding, weil es mich zum Lachen gebracht hat und mich in meiner Zielfindung weitergebracht hat und weil ich später weiß, ich hab es zumindest probiert.
    Warum mir in diesem Fall gerade ne Modemetapher einfällt? Ist mir schleierhaft… War wohl grad mein Ding…

    Jeder hat Dinge, Vorlieben, die sich wie ein roter Faden durchs Leben ziehen. Das heißt für mich nicht, dass ich als Sportler nicht auch auf der faulen Haut liegen darf. Wenn ich meine Arbeit liebe, freue ich mich trotzdem auf einen Urlaub und wenn ich die meiste Zeit lache und freundlich wirke, brauche ich auch Zeit für Trauer und zum Weinen…

    Hm… vielleicht lieg die Betonung bei „Mach dein Ding“ oder „Mach dein Leben“ eher auf dem „DEIN“… Weil nur du/ich/wir die Entscheidung haben, was gerade das gewünschte Ding/Leben ist.

    Ich wünsche allen ein schönes Wochenende. Macht das BESTE daraus.
    Herzliche Grüße,
    Kerstin

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