Schmerz, nein danke?

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Schmerz, nein danke?

Auf meinen letzten Beitrag hin, in dem ich über das Zurückschauen schrieb, kam bei Facebook als Reaktion der Hinweis, dass das Zurückschauen manchmal zu schmerzhaft sein kann. Da mich das Thema Schmerz gerade in Bezug auf Achtsamkeit sehr beschäftigt, dachte ich mir, schreib ich einfach darüber einen weiteren Beitrag.

Die meisten Menschen meiden natürlicherweise Schmerz. Tiefe Verletzungen, schlimme Erlebnisse, schwere Enttäuschungen – am liebsten würden viele diese aus ihrem Gedächtnis löschen (… und wie viel tun wir erst, um zukünftigen Schmerz zu vermeiden…). 

Ich gehe etwas anders mit meinem Schmerz um – ich lasse ihn zu, ja suche ihn manchmal sogar regelrecht, in dem ich Musik höre, die mich ins Fühlen bringt und Fotos anschaue, die mich erinnern lassen. Bin ich eine Masochistin? Nein, ich glaube nicht. Ich habe nur für mich erfahren, dass mich jedes Vermeidungsverhalten unfrei macht in meinem Sein. Wenn ich meinen Schmerz fürchte, bin ich eingeschränkt in meinem Tun und Fühlen. Je größer und umfassender der Schmerz, desto kleiner der Aktionsradius, in dem ich mich noch (relativ) gefahrlos bewegen kann. 

Indem ich mich meinem Schmerz stelle, kann ich mich selbst immer besser kennen lernen. Weil in meinem Schmerz auch Kostbares steckt: nämlich wertvolle Erkenntnisse und große Chancen. Ich kann in meinem Schmerz Dinge über mich erfahren, die mich nur mein Schmerz lehren kann. Ich kann nur durch die Auseinandersetzung mit meinem Schmerz verstehen, warum ich Verletzungen und Enttäuschungen erlebt habe. In ihm finde ich Antworten darauf, warum bestimmte Irrwege nötig waren und was ich daraus lernen sollte. Und vielleicht am wichtigsten: in der Beschäftigung mit meinem Schmerz habe ich die Möglichkeit, aus meinem Opfersein herauszuwachsen und Stück für Stück (manchmal Millimeter für Millimeter) freier zu werden. 

Nicht dass hier ein falscher Eindruck entsteht: das ist alles natürlich nicht leicht, auch für mich nicht, ganz im Gegenteil. Aber mein Eindruck ist, dass Schmerz durch Ignorieren letztlich immer unerträglicher wird, weil er in der Verdrängung wächst wie ein Geschwür – und irgendwann platzt es eh auf… Die Angst vor dem Schmerz macht ihn immer größer (wenn auch nur in unserer Vorstellung) und deshalb wollen wir noch weniger an die schmerzhaften Punkte in unserer Vergangenheit oder unserem aktuellen Leben – ein Teufelskreislauf. Ich weiß für mich, dass Seelenwunden nicht einfach verschwinden, wenn ich so tue, als wären sie nicht da. Seelenwunden brauchen, so zumindest ist es für mich, Aufmerksamkeit und Fürsorge und Liebe. 

Keine Frage, nicht jedem Schmerz kann oder sollte man sich allein stellen, manchmal braucht man Hilfe und Unterstützung dafür. Dann gilt es, sich diese zu suchen, denn den Schmerz aus Angst wegzudrücken, scheint mir das ganze Gegenteil von Achtsamkeit zu sein. Achtsamkeit heißt wahrnehmen. Und neben all dem Schönen im Leben gibt es eben auch Schmerzliches und Trauriges, das gilt für jeden von uns. Das Ausblenden zu wollen, bedeutet, sich abzuschneiden vom Fühlen und immer mehr Tabu-Zonen zu schaffen, in deren Nähe man nicht mehr gehen mag. 

Aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass der Mut, mich meinem Schmerz zu stellen, mich mir selbst ganz wesentlich näher gebracht hat und mir dabei geholfen hat, mich von vielen Ängsten zu befreien. Die Erfahrung zu machen, dass ich meinen Schmerz aushalten kann, auch wenn ich das für unmöglich hielt, hat mich stärker gemacht. Und ich habe erfahren dürfen, dass ich mich auch selbst in den Arm nehmen und trösten kann. Mein Schmerz ist mir heute ein Freund geworden, er gehört zu mir wie meine Freude oder mein Glück. Ihn zu fürchten, hieße mich selbst zu fürchten, ihn abzulehnen, hieße mich selbst abzulehnen – und genau das will ich nicht mehr. 

2 Kommentare

  1. Liebe Tania, ich halte es da wie du. Auch mir ist irgendwann der Gedanke gekommen, dass es besser wird, wenn man den Schmerz nicht verdrängt. Allerdings ist das bei mir auch sehr formabhängig. Es gibt Tage, da geht das und dann gibts Tage,da schiebt man es weg. Es auch wegschieben zu dürfen halte ich für ebenso wichtig. Sonst wirds nämlich doch „Masochismus“ 😉 . Meine Erfahrung nach nun über 12Jahren seit der “ Zeitenwende“ in meinem Leben ist auch: Die Zeit heilt keine Wunden! Aber sie macht sie erträglicher. Und jedes Mal, wenn ich bewusst einen Schmerz zugelassen habe, wurde aus der schmerzlichen Erinnerung wieder ein ganz kleines Stück mehr eine sanfte……. LG Beate

    • Liebe Beate,

      wie schön, wieder einmal von Dir zu lesen! Ja, da hast Du recht, es darf nicht nur Schmerz sein, das ist eine wichtige Ergänzung.

      Einen lieben Gruß für Dich,
      Tania

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