Ähnlich oder ganz verschieden?

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Ähnlich oder ganz verschieden?

Mir war lange nicht bewusst, dass wir in Beziehungen einen sehr unterschiedlichen Blick auf den jeweils anderen haben können. So gibt es Menschen, die vor allem auf das achten, was anders an dem anderen ist, also wie anders der andere tickt, wie sehr sich seine Ansichten von den eigenen unterscheiden, wie unterschiedlich seine Herangehensweisen oder Überlegungen sind und so weiter und so fort.  Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die den Fokus auf die Gemeinsamkeiten legen, denen also sofort alles Verbindende und Vereinende auffällt.

Überlegen Sie doch einmal kurz: Wozu gehören Sie? 

Ich suche, ohne dass ich darüber nachdenke, automatisch nach Ähnlichkeiten bei anderen,wie z.B.

  • nach gemeinsamen Vorlieben
  • oder Interessen, 
  • nach ähnlichen Gedankenansätzen
  • oder Überzeugungen, 
  • nach verbindenden Erlebnissen
  • oder Erfahrungen,
  • nach einem ähnlichen Humor, 
  • ja, sogar nach ähnlichen Kleidungs- oder Schmuckstücken,
  • Formulierungen
  • oder Schrulligkeiten
  • und dergleichen mehr.  

Es können ganz kleine Dinge sein, in denen ich Gemeinsamkeiten entdecke. Sie geben mir ein beruhigendes Gefühl und lassen mich dem anderen sehr nahe fühlen – machmal vielleicht auch zu nahe, wie ich mehr und mehr zu begreifen beginne. 

Mir war, wie gesagt, nicht wirklich klar, dass ich das tue und genauso wenig war mir bewusst, dass es Menschen gibt, die einen ganz anderen Fokus haben. Aber jetzt verstehe ich manchen Konflikt oder auch manche Schwierigkeiten in Beziehungen deutlich besser. 

Es verunsichert mich z.B. sehr, wenn jemand mit mir für mich aus scheinbar heiterem Himmel eine Diskussion anfängt, über Ansichten oder Meinungen oder Überzeugungen, denn es kann gut sein, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal wahrgenommen habe, dass es da etwas Diskutierenswertes gibt. Nicht, weil ich nicht auf den anderen geachtet habe und auch nicht, weil ich nicht richtig zugehört habe, sondern weil die andere Ansicht oder die von meiner abweichenden Meinung für mich kein Grund zu einer Auseinandersetzung ist. Ich nehme die andere Ansicht zwar wahr, aber sie hat für mich meist weniger Bedeutung als all die Gemeinsamkeiten, die ich bis dahin gefunden habe – denn die sind mir einfach wichtiger. Und dann fühle ich mich dem anderen unter Umständen viel näher als er sich mir gegenüber fühlt. 

Für mich ist es sehr hilfreich zu verstehen, dass mir offenbar Nähe wichtiger ist als Abstand und ich deshalb immer bemüht bin, Nähe zu schaffen, zumindest mit Menschen, die mir wichtig sind. Dieses Bedürfnis hat viele Folgen, die ich erst langsam zu verstehen beginne. Meine Tendenz eher auf das Gemeinsame als auf das Trennende zu schauen, nennen manche konfliktscheu (und ja, vielleicht ist das auch tatsächlich so), während auf mich Menschen, die vor allem auf die Unterschiede gehen, oft streitlustig und aggressiv wirken. Ich fühle mich dann nicht angenommen, ja, sogar respektlos behandelt, und ziehe mich zurück oder ich versuche, Nähe zu schaffen, indem ich mich ausrichte und verbiege. Das eine wird mir dann leicht als Verschlossenheit und Ablehnung ausgelegt und das andere vielleicht als Zeichen, dass ich kein Rückgrat hätte … 

Ich weiß nicht, ob und wie sich der Graben überbrücken lässt, wenn zwei Menschen aufeinandertreffen, die sehr unterschiedlich in diesem Fokus sind, aber vielleicht geht es erst einmal nur darum, solche Gräben zu erkennen und sein zu lassen wie sie sind. Mir hilft es jedenfalls schon ein gutes Stück weiter, allein die unterschiedlichen Sichtweisen zu erkennen und mich in meinem Sein sowohl in der Auseinandersetzung als auch im Zusammensein wahrzunehmen. 

11 Kommentare

  1. Einfach gut geschrieben, Stoff zum Nachdenken….danke
    und Gruß aus Österreich!

    • Danke, Margit!

      Herzlich,
      Tania

  2. wunderbar, liebe Tania, schon in deinem Schreibworkshop 2002 habe ich mich an vielen Gemeinsamkeiten erfreut … Und das ist bis heute so!! Danke für deine wunderbaren Inspirationen und Denkanstösse – herzlichst Marion

    • Genauso herzlichst zurück,
      Tania

  3. Liebe Tania, erst mal ein frohes Neues Jahr. Du hast mit Deinem Beitrag in meiner Gefühlswelt viel bewegt. Ich bin in der Hinsicht ein Zwitter. Freue mich über die Gemeinsamkeiten, sie erwärmen mein Herz und ich fühle mich nicht so alleine – manchmal finde ich mich gerade was die Gefühlswelt angeht sehr kompliziert. Aber ich sehe auch oft die Gegensätze und frage mich, warum das so ist. Gerade bei Menschen, die mir sehr viel bedeuten. Ich suche auch immer erst mal den Grund bei mir. Dann versuche ich mit der Person darüber zu diskutieren, warum wir so unterschiedlich sind (einer meiner Söhne z.B.) ich versuche sie zu verstehen, nein zu fühlen….. Wenn mir Menschen sehr vertraut scheinen, neige ich dazu, mich bei ihnen fallen zu lassen, weil ich mich gut aufgehoben fühle, das kann sehr gefährlich sein. Aber egal was passiert, ich werde immer die Liebe leben, weil nur sie der Sinn des Lebens ist. Hinfallen und wieder aufstehen……
    Tania ich finde Deine Seite unheimlich gut und Du findest immer wieder einen Punkt, der mich sehr berührt. Wir werden uns mal kennenlernen, davon bin ich überzeugt. Weil mich auch Deine Seminare sehr interessieren, aber im Moment kann ich es mir leider noch nicht erlauben. Aber die Zeit kommt! Bis dahin lese ich gerne weiter. Danke und ganz lieben Gruß Elke

    • Ganz herzlichen Dank, Elke, für Deine Zeilen. Ich freu mich sehr!

      Alles Gute für Dich,
      Tania

  4. Liebe Tania!
    Ja, das ist eine Erfahrung, nicht jeder Graben ist zu überbrücken, bei aller Liebe. Aber jeder ein Ausdruck des Lebendigen, so muss man es sehen. Man muss es lassen, immer wieder kenne ich auch solche Begegnungen, bin darum richtig öffentlichkeitsscheu geworden.herzlichst Monika

    • Liebe Monika,

      ich denke nicht, das genereller Rückzug die Antwort auf diese Erkenntnis sein sollte, sondern sie ist vielmehr die Einladung, sich für Menschen zu öffnen, mit denen sich das Miteinander gut und nährend anfühlt. Oft sind wir uns ja gar nicht darüber bewusst, dass wir instinktiv Menschen suchen, an denen wir auf die eine oder andere Art scheitern müssen …

      Lieber Gruß,
      Tania

      • Liebe Tania!
        Gerade dieser Satz berührt und betrifft mich besonders, weil er mein stets wiederkehrendes Thema zu sein scheint: „Oft sind wir uns ja gar nicht darüber bewusst, dass wir instinktiv Menschen suchen, an denen wir auf die eine oder andere Art scheitern müssen … “

        Was soll ich denn dem Gegenüber beweisen, für was mich verbiegen und anpassen wollen? Das frage ich mich immer und immer wieder.

        Hast du dir schon mal diese Situation überlegt: Du bist jemand in kleinen Schritten nahe geworden und lehnst dich ein bisschen an, fasst Vertrauen und bekommst eine Sehnsucht nach dem Gemeinsamen, aber der andere kehrt immer mehr in sein Schneckenhaus zurück. Diese Reaktion kenne ich auch an mir. Es hat was mit Angst vor Enge und Vereinnahmung zu tun, obwohl es oft nur ein zaghaftes Antworten und Fragen ist.

        • Ich schätze, die Frage ist letztlich, ob wir (oder der andere) Ängste überwinden kann oder ob sie zwischen uns stehen bleiben… Manchmal kann man das nicht beeinflussen.

          Schau mal hier, ich glaube das passt:
          http://www.mein-achtsames-ich.de/ich-waer-dir-gern-so-nah/

          Herzlich,
          Tania

          • Danke. Das tut es.

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