Zumutbar?!

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Zumutbar?!

Ich habe schon als Kind gelernt, mich um meinen eigenen Kram selbst zu kümmern und andere Menschen möglichst wenig mit Bitten oder Anliegen zu belästigen. Bisher habe ich das immer für eine gute Eigenschaft gehalten, auf die ich irgendwie auch stolz war: mich anderen eben nicht aufzudrängen, sondern meine Verantwortlichkeiten möglichst selbst hinzubekommen. 

Nun stelle ich aber fest, dass das Folgen hat, derer ich mir bisher nicht bewusst war und die ich eigentlich gar nicht will! Ich schaffe nämlich durch mein Einzelkämpfertum Abstand auch zu den Menschen, mit denen ich Nähe leben will. 

Ich begreife: Nähe entsteht unter anderem durch gemeinsame Erlebnisse. Und gemeinsame Erlebnisse müssen nicht immer nur nett und entspannt sein.

  • Zusammenzuhalten,
  • etwas gemeinsam durchzustehen,
  • gemeinsam anzupacken, um etwas zu schaffen, was für den einen zu viel gewesen wäre,
  • da zu sein füreinander…

Von meiner Seite war es immer selbstverständlich, das anderen zu geben, aber ich für mich habe sehr viel dafür getan, dass andere mir das kaum geben konnten. Aber diese Form füreinander da zu sein, so wird mir immer klarer, sorgt für ein ganz anderes Wir als wenn man ständig darauf bedacht ist, den anderen nur nicht mit den eigenen Sachen zu belästigen. Sie funktioniert aber letztlich nur, wenn beide Seiten nehmen und geben können. 

Und so lautet eine neue Lernaufgabe für mich, mich öfter auch mal anderen zuzumuten! 

7 Kommentare

  1. Leider habe ich in dieser Angelegenheit überwiegend negative Erfahrungen gemacht. Die Menschen, die bei mir geblieben sind, nach dem ich mich ihnen „zugemutet“ habe, beschränken sich mittlerweile auf meine Familie: Mann, Eltern, Geschwister, früher Großeltern.

    Selbst habe ich nächtelang Liebeskummer und andere Sorgen getröstet, war zur Stelle, wenn ein Umzug anstand, bin in der Nacht losgefahren, um jemanden irgendwo abzuholen, der mit dem Auto liegen geblieben war.
    Bin in der Weltgeschichte rumgereist, um die Menschen zu besuchen, die ihr Leben an Orte weit weg von mir verlegt hatten, um mit ihnen zusammen zu sein, habe um Freundschaften gekämpft, die dabei waren einzuschlafen oder durch einen Streit bedroht waren.
    Habe psychische Krisen, von leichter bis schwerer Natur (psychiatrischer Notfall), aufgefangen, in dem ich da war, Tag und Nacht gewacht habe, jederzeit erreichbar war. Dies alles war für mich die Definition von Freundschaft. Für meine Freunde hätte ich alles gemacht, und das wussten sie.

    Dafür bekam ich im Laufe der Jahre: keine Umzugshilfe („ach da kann ich leider nicht“), immer weniger Menschen, die sich meine Sorgen und Nöte anhören wollten („wie schön dass Du anrufst, ich hab aber nur 5 Minuten Zeit, also erzähl schnell das wichtigste“ oder auch „Ach das ist ja tragisch! Naja, Du schaffst das schon. Also dann bis bald mal wieder.“), nur widerwillig Autopannenhilfe („Ja Du störst.“), keinen Besuch („das ist mir zu weit weg, wir treffen uns mal, wenn Du wieder in der Nähe bist (50 km Entfernung)“) und leider auch keine Hilfe in einer eigenen psychischen Krise („Dir gehts ja richtig schlecht! Ich komm und helf Dir, zusammen schaffen wir das, Du hast mir ja auch schon so viel geholfen.“) Das war vor 3 Jahren, niemand kam.

    Selbst die 3 Freundinnen, auf die ich mich früher verlassen konnte, ließen mich alle fallen, als ein heiratswilliger Mann aufgetaucht war. Vermutlich rufen sie mich wieder an, wenn die Kinder aus dem Haus sind..

    Mein bitteres Fazit nach knapp 40 Lebensjahren: Abgesehen von den oben genannten Personen kann ich mich leider doch nur auf mich selbst verlassen.
    Die Frage, die ich mir stelle: Habe ich etwas falsch gemacht oder habe ich mein Leben lang die falschen Menschen getroffen?

    • Da stellst Du eine gute Frage, denke ich. Ich für mich selbst weiß, dass ich viele Menschen nicht nur in mein Leben eingeladen, sondern regelrecht gesucht habe, um bestimmte Muster zu leben. Seitdem ich viele davon immer mehr aufbreche und sich etwas in mir ändert, kommen andere Menschen in mein Leben… Ich glaube, es geht nicht um „falsch oder richtig“, sondern es geht um Themen und um Signale.

      Ich wünsch Dir von Herzen, dass Du in Zukunft andere Erfahrungen machen kannst!

      Ein lieber Gruß,
      Tania

    • Wir sollten nicht den Fehler machen und Freundschaften mit Familie verwechseln. Freunde haben einen anderen Platz, einen anderen Wert und Sinn; was wir der Familie zumuten können wir tatsächlich nicht den Freunden „zumuten“. Wir sollten darüber nicht traurig sein, sondern die Qualität dahinter erkennen.
      Lieben Gruß, Ellie. Schöne Seite, übrigens

      • Dankeschön, Elli!

        Herzlich,
        Tania

  2. Ich denke, all das, was ihr hier beschreibt, erlebt jeder, der sich mit sich auseinandersetzt. Es bleiben viele Kontakte im Leben auf der Strecke, aber es folgen auch ganz viel Neue. Durch meine gerade durchlebte Krebserkrankung habe ich erlebt, das „Freunde“, denen ich geholfen habe, den Kontakt zu mir einstellten (sicher einige aus Unsicherheit), Angst hatten sich anzustecken (wirklich wahr) und mir jetzt, wo ich alles überstanden habe, weiterhin aus dem Weg gehen. Leider gehören da auch Familienmitglieder zu. Ich habe für mich aber schnell beschlossen, dem nicht hinterherzutrauern. Ich meine, ich habe es allen leicht gemacht mir zu begegnen, indem ich sie nicht mit meiner Krankheit belastet habe, sondern einfach gerne aufmunternde Gespräche geführt hätte, die sich eben nicht nur mit dem Krebs beschäftigen. Dafür habe ich so schöne und wertvolle neue Kontakte zu Mitbetroffenen knüpfen können, die auch Bestand haben werden. Ich lebe im Jetzt und freue mich auf das, was kommt. „Heute ist morgen schon wieder gestern“. Ich gucke nach vorne und all diese Erlebnisse sind die Prüfungen des Lebens, durch die wir uns weiterentwickeln, wenn wir uns damit auseinandersetzen. Im Endeffekt müssen wir unsere Entscheidungen immer alleine treffen. Das Leben ist zu schön und zu kurz, um sich dauerhaft mit Enttäuschungen zu beschäftigen.
    Liebe Tania, noch einen Satz zu deinem Artikel über Facebook: Es gibt noch nicht so viele Menschen, die sich in dieser schnelllebigen Zeit wirklich mit sich selber auseinandersetzen wollen. Für die meisten ist es unbequem, da es Veränderungen mit sich bringt, die nicht nur positiv sind und auch weh tun können. Also nicht traurig sein, wenn deine Seite nicht „explodiert“. Die Menschen, die dir folgen, mögen das, was du schreibst. Und all diese Menschen berührst du. So wie uns hier.
    Ganz liebe Grüße
    Monika

    • Ganz, ganz lieben Dank, Monika – Deine Zeilen berühren nun wiederum mich sehr. Ich freu mich!!!

      Alles, alles Gute für Dich,
      Tania

  3. Hallo erstmal!
    Also mir gefallen die Zeilen sehr. Ich erlebe es grad am eigenen Leibe als alleinerz. Mutter musste ich bis jetzt “ immer alles allein“ wuppen! Klar, gab es die ein oder andere Sache wo mir jemand geholfen hat und ich auch mal um Hilfe gebeten habe! Aber nun hab ich einen Partner der mir viele Kleinigkeiten einfach so abnimmt und auch noch fragt was kann ich tun, warum sagst du nicht bescheid ich kann doch helfen?!
    Warum sag ich nicht bescheid, bis jetzt hat es auch alleine geklappt? Ich muss lernen die Hilfe anzunehmen, einfach so und eigentlich muss ich feststellen es ist toll!!!
    Auch wenn es ein komisches Gefühl ist,den Einkauf nicht mehr allein nach oben tragen zu müssen, oder das Essen allein vorzubereiten sondern vieles gemeinsam macht und manche Dinge ganz abgibt!! In diesem Sinne probiert es mal aus! Liebe Grüsse Maren

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