Manchmal bleibt nur das Verstummen

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Manchmal bleibt nur das Verstummen

„Warum hast du denn nichts gesagt???“ fragt da einer und scheint tatsächlich nicht zu wissen, wie oft ich genau das schon versuchte und warum mir letztlich nur das Verstummen blieb… 

Es kann verschiedene Gründe geben, warum wir verstummen: 

Wir werden nicht gehört.
Wir werden nicht verstanden.
Wir werden in unserem Sein missachtet.
Was wir sagen, kommt immer falsch an.
Unsere Worte führen zu hässlichen Streits und viel Schmerz.
Was wir auch versuchen, wir finden keinen Zugang und stehen wieder und wieder vor verschlossener Tür. 
Das Reden kostet unendlich mehr Kraft als das Schweigen und irgendwann ist einfach keine Kraft mehr da, um es weiter zu versuchen. 

Zu einer Kommunikation gehören immer zwei und manchmal ist es nicht möglich, im Gespräch zu bleiben, so sehr man es auch möchte. Man versucht vielleicht, dem anderen anders zu begegnen, wählt verschiedene Kommunikationswege und verschiedene Arten des Ausdrucks. Dennoch bleiben sowohl Kontakt als auch Verständigung unmöglich. Es ist, als würde man verschiedene Sprachen sprechen oder auf verschiedenen Planeten leben…

Vielleicht geht uns das sogar mit vielen Menschen so, aber oft fällt es gar nicht auf, weil wir sie meiden oder auch kein Interesse an einem Austausch haben. Man kann nicht jeden mögen und man kann sich auch nicht mit jeden befassen, das ist schon ok. Schwierig wird es nur dann, wenn uns genau solch ein Mensch sehr nahesteht und wichtig ist… 

Die Unmöglichkeit zur Verständigung mit Menschen, die uns etwas bedeuten, ist schwer auszuhalten, für mich jedenfalls. Und dennoch habe ich genau das lernen müssen. Dabei habe ich erkannt, dass es verschiedene Arten zu verstummen gibt.

Die schädlichste Art zu verstummen ist aus Wut und Groll. Dann soll mein Verstummen eine Strafe sein, die den anderen verletzen will und mit der ich zum Beispiel Aufmerksamkeit, Verstehen oder auch nur eine Entschuldigung erpressen will. Das aber führt nur dazu, dass das Schweigen tief in die eigene Seele schneidet und man wird immer bitterer und bitterer. Hier schließt sich die Tür oft für immer. 

Ich kann aber auch aus Einsicht und Liebe verstummen, einfach weil meine Worte offenbar ungewollt verletzen und zerstören und ich keinen Weg finde, das nicht zu tun, als den, still zu werden. Dann bleibt die Tür offen, auch wenn vielleicht niemand hindurch gehen kann.

Manchmal ist ein Verstummen so etwas wie Notwehr und geschieht aus Selbstschutz, einfach weil der Kontakt schmerzhafter ist als der Abstand. 

Und manchmal ist das Verstummen eine Notwendigkeit, um sich überhaupt selbst wieder hören und spüren zu können. Dann verstumme ich in der Hinwendung zu mir, weil ich entscheide, mir selbst wichtiger zu sein als es der andere ist – und so schmerzhaft das ist, darin steckt die große Chance mir selbst näher zu kommen. 

8 Kommentare

  1. Liebe Tania,
    ja, es gibt diese Tage an denen sich Dinge ereignen und dann der entmutigende Text, der genau dazu passt und hilft noch tiefer darüber nachzudenken. Gerade heute gab es zu diesem Thema eine Reaktion von mir, die nach tiefen Fühlen und Denken zu dieser Handlung führte -dem Verstummen. Hier als Selbstschutz und und Entscheidung die Grenzen zu erhalten, die einzubrechen drohten aus Fürsorge, aus verbindlicher Gefälligkeit. Wut und Trauer sind in Verbindung mit Angst die schlechtesten Berater.
    Danke für die Sichtweisen und danke für den Gedanken des Mitgefühls für sich selbst.
    Alles Gute von Anne

    • Lieben Dank, Anne, für Deine Zeilen und alles Gute für Dich,
      Tania

  2. Liebe Tanja, dein Text hat mich zu einer Zeit erreicht, in der ich seit Tagen darüber nachdenke, ob es noch mal Sinn macht, mich zu erklären. Obwohl ich weiß, dass ich einer bestimmten Person niemals werde erklären können, wie ich fühle und wie ihre Art mit mir umzugehen nicht die Art ist, die ich brauche. Diese Person kann nichts dafür. Ihrem Gefühl nach, war sie immer für mich da. Sie hat mich aufgemuntert, mir auch zugehört und für sich selber bestimmt geglaubt, dass wir wirklich gute Freunde sind. Und ich habe mich immer wieder „zusammengerissen“, weil ich sie nicht verlieren wollte. Aber jetzt geht das nicht mehr. Und ich neige dazu, die Schuld bei mir zu suchen. Es ist ja auch so. Es ist sicherlich unfair, jetzt ohne ein Wort zu verschwinden. Aber es macht keinen Sinn mehr……ich will nicht mehr immer die sein, die so kompliziert ist. Also schließe ich wortlos die Tür.

    • Liebe Emily,
      ja, manchmal ist es nötig und auch gut, eine Tür zu schließen. Für mich ist der Gedanke dabei immer sehr tröstlich, dass geschlossene Türen auch jederzeit wieder geöffnet werden können – und das ist fast immer von beiden Seiten möglich.
      Ganz herzlich,
      Tania

  3. Liebe Tania,
    das alles kann ich sehr gut nachvollziehen und ich kenne es aus eigener Familiengeschichte. Ich musste feststellen, wenn nur eine Seite an sich arbeitet, läuft man immer wieder gegen Wände, trotz vieler erneuten Kommunikations-Anläufen. Kraft und Energie kam erst zurück, als ich die Türen zumachte. Dann gingen viele andere Türen auf und ich wurde „belohnt“. Manchmal ist das der beste Weg und zählt als Werdegang zum eigenen Weg.
    Alles Liebe

    • Ja, so sehe ich das inzwischen auch und mit dieser Erkenntnis kann man die Türen auch versöhnlicher schließen als wenn man hadert.

      Alles Gute für Dich,
      Tania

  4. Liebe Tania,
    ich stimme Dir vollkommen zu. Ich habe lange gebraucht, um endlich zu lernen, dass ich den mir nahestehenden Menschen nicht helfen kann, wenn sie es nicht wollen. Ich sehe die Welt und ihr Schmerz, auch den meiner nahestehenden Menschen aus einer anderen Perspektive. Und ich habe immer wieder versucht, ihnen das mitzugeben, was mir geholfen hat…. Achtsamkeit, Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, Loslassen, Vertrauen… Ich selbst war viele, viele Jahre gefangen in meinen Ängsten, Depressionen u.v.m.
    Es war ein langer, harter und schmerzhafter Weg ABER mir geht es endlich gut… ich LEBE, LIEBE, GENIEßE und bin GESUND:

    ABER: Ich stoße auf taube Ohren, auf Unverständnis, und oft auch auf Angst meiner Mitmenschen ihr Leben tatsächlich beleuchten zu wollen, verändern zu wollen….

    Ich habe gelernt, leider, zu verstummen… Ihnen ihren eigenen Weg gehen zu lassen… Manchmal schmerzt es sehr…. Oft, zum Glück, bleibt ein Korn im Inneren, der anfängt zu wachsen und dann sehe ich und freue mich über deren Entwicklung…

    Es gibt ein schönes Sprichwort: Reden ist Silber und manchmal ist Schweigen Gold.

    LG

    • Mir hat die Erkenntnis sehr geholfen, dass ich ja gar nicht wirklich wissen kann, was für einen anderen Menschen gut ist…

      Alles Gute für Dich,
      Tania

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