Vor kurzem schrieb ich hier darüber, dass ich neue Blicke wage. Und dieses Wagnis konnte ich nun weiterführen, denn ich habe einen Berg bezwungen – und darüber hinaus neue Impulse für den Umgang mit Ängsten bekommen.
Der Mount Christoffel ist die höchste Erhebung auf der kleinen, karibischen Insel Curaçao. Er ist nicht gerade das Dach der Welt mit seinen 375 Metern, aber er ist eine Herausforderung. Es führt nämlich kein breit ausgebauter, bequemer Weg zum Gipfel, sondern diesen Berg muss man sich erklettern. Der Hauptteil des Weges kommt durch die vielen Felsbrocken einem Treppensteigen gleich, für das letzte Stück aber ist pures Klettern angesagt. Zwar braucht man kein Seil und keine Steigeisen, aber man braucht alle Viere und einiges an Kraft, um sich an Felsen hochzuziehen und über Baumstämme zu klettern. Der Gipfel liegt dann frei und man hat einen Rundblick über die Insel. Das bedeutet, man hat einen Blick nach unten (und jeder, der nur ein bisschen Höhenangst hat, weiß, was das bedeutet).
Eigentlich ist weniger interessant, dass ich es auf diesen Berg geschafft habe, als auf mein Verhalten davor zu schauen. Denn als es darum ging, die Wanderung anzugehen, erwischte ich mich dabei, wie ich alle möglichen Gegenargumente zusammensuchte. Ich recherchierte im Netz und fand abenteuerliche Schilderungen der Tour, die über die Gefährlichkeit berichteten und wie anstrengend es sei. Bei Regen solle man die Tour gar nicht machen und man müsse unbedingt früh genug losgehen (immerhin sind dort zwischen 30 und 35°C vollkommen normal). Je weniger ich mich in meiner Angst an- und ernstgenommen fühlte, desto mehr Gegenargumente fand ich. Erst als meine Sorgen wirklich wahrgenommen wurden (von außen und auch von mir), erst als wir ausmachten, dass ich ggf. nicht den ganzen Weg gehen würde, wenn ich es mir nicht zutrauen würde, also erst als meine Angst wirklich sein durfte, wurde ich ruhiger.
Und genau das war es auch, was mir dann beim Aufstieg half: dass meine Angst sein durfte. Sie wanderte und sie kletterte mit und ganz oben machte sie sich für einen Moment richtig breit. Also saß ich da, an einen Baum geklammert, und konzentrierte mich darauf, einfach nur zu atmen. Ich ließ sie zu, die Angst, und es wurde besser. Nach und nach konnte ich mich wieder bewegen. Den kompletten Rundblick habe ich nicht gewagt, aber ich habe in dem Maße heruntergeschaut, wie es mir möglich war. Und heruntergekommen bin ich dann auch wieder (was oft der schwierige Part ist, wenn man Höhenangst hat).
Ich habe an diesem Tag etwas Neues für mich gelernt: Dass ich nicht mehr gegen meine Ängste kämpfen will, sondern dass ein viel besserer Weg ist, sie anzunehmen und dann MIT ihnen GEMEINSAM weiterzugehen (und das gilt nicht nur für die Höhenangst, sondern ganz allgemein). Denn ein Kämpfen gegen meine Angst ist ein Kampf gegen mich. Und genau diesen Kampf will ich nicht mehr führen.
Bravo!
Die Angst darf sein – sie darf mich ein Stück des Weges begleiten …
ein schöner Gedanke, mit Wärme und Wohlwollen für mich selbst. Klingt fast so, als könne man sich mit ihr verbünden und Herausforderungen gemeinsam vielleicht, manchmal, sogar besser meistern …? 😉
Ich gehe inzwischen sogar noch einen Schritt weiter: nicht nur verbünden, sondern sich ein Stück weit führen lassen von ihr. Denn ich merke: wenn ich sie nicht bekämpfe, führt meine Angst mich zu meinen Gefühlen, zu wichtigen Dingen und zu bedeutungsvollen Themen!
Herzlich,
Tania
Ja, du hast Recht. Ich denke gerade viel über das Thema Angst nach. Hm, ich glaube, oft habe ich nicht mal gegen sie gekämpft, sondern bin ihr aus dem Weg gegangen und damit auch vielen Herausforderungen. Dein Ansatz ist viel mutiger und aussichtsreicher auf dem Weg zu sich selbst.
Mal wieder lieben Dank für das Teilen deiner Gedanken
Elisa
Liebe Tania,
die Angst nicht bekämpfen, führt mich zu meinen Gefühlen. Das ist sehr schön und ich nehm es mit in den Tag. Angst spüren, sie darf auch da sein.
Ist immer wieder schön deinen Blog zu lesen.
dir einen schönen Start ins Wochenende, Nele.
Angst baut Mauern.
Und über diese Mauern, vorallem wenn sie seit lange Zeit bestehen, hinwegzukommen, ist sehr schwer.
Aber ich glaube auch, wenn man das Gefühl erst einmal kennengelernt, diese Stärke und das Selbstvertrauen das damit verbunden ist, fangen die Mauern an zu bröckeln. Da heißt es dann dranzubleiben.
Aber…..aller Anfang ist schwer.
Ich wünsche dir liebe Tanja, dass es auch für dich weitergeht.
Lieben Gruß und Danke für deine inspirierenden und auch bestätigenden Gedanken, denn schon das Gefühl „anderen geht es genauso“ tut gut und macht Mut.
Sylvia
Angst -eine treibende Kraft im Inneren
Ich habe diesen Sommer und Herbst erfahren müssen,
wie die Angst den Körper beeinflussen kann, je mehr man sich
dagegen wehrt. Die Angst willkommen zu heißen, bedeutet,
dass man sich kennenlernt und versucht, sich damit auseinanderzusetzen.
Es stimmt, wie Tanja schreibt, dass das regelmäßige tiefes Atmen etwas helfen kann.
Ich habe auch gemerkt, dass die Ängste nicht mehr so stark werden,
indem man mit Freunden darüber spricht. Da können sich neue mögliche Horizonte und Perspektive öffnen. Ängste können gut sein, weil sie uns vorwärts bringen
können oder auch vor Gefahren schützen. Aber wenn die Angst unser Leben
beherrscht, dann benötigt man professionele Hilfe.
Sprecht mit jemandem über die Ängste und Ihr werdet sicher merken, dass
Ihr mit der Angst nicht alleine seid.
Tanja, vielen Dank für diese Anstoß!