Ich finde mich immer wieder in Situationen, in denen ich deutlich spüre, dass sich mein Gegenüber Nähe wünscht und/oder auch, dass ich gerne selbst Nähe zum anderen hätte. Aber oft lässt sich diese Nähe einfach nicht erreichen und ich habe mich gefragt, wie das kommt. Je mehr ich in diese Situationen hineinfühlte, desto klarer wurde mir, dass es eine ganze Reihe von Gesprächsthemen gibt, die keine Brücken schaffen, sondern eher Gräben ziehen.
So wird z.B. oft über andere Menschen gesprochen (Freunde, Bekannte, Bekannte von Bekannten, Politiker, Promis usw.) und zwar meist darüber, wie „unmöglich“ die doch sind (also z.B. zu unhöflich, zu geizig, zu ignorant, zu unordentlich oder was auch immer). Gemeinsame Feindbilder können zwar für einen Schulterschluss sorgen, aber wenn ich als Gesprächspartner nicht bereit bin, das jeweils auch so zu sehen (also diese Leute, die ich oft nicht mal kenne, eben nicht auch „unverschämt“ oder „dreist“ oder „daneben“ finde oder nicht alle Politiker als korrupt oder faul ansehe und mir Promis ziemlich egal sind), entsteht ein großer Krater. Dann nämlich distanziere ich mich mindestens innerlich von dem Gesagten oder ich formuliere es sogar, indem ich einen differenzierten Blick auf die geschilderte Situation werfe (also z.B. mal die Seite des anderen beleuchte) oder sogar eine andere Ansicht ausspreche. Und das trennt, obwohl ich es gar nicht will.
Oder nehmen wir das Sprechen über schlimme Dinge, die passieren, wie z.B. Krankheits- oder Todesfälle, Unglücke, Verbrechen und ähnliches. Auch hier ist die Hoffnung, dass durch das gemeinsame Klagen über all das Schreckliche Nähe entsteht. Möchte ich aber nicht in das Klagen einstimmen, weil ich mich z.B. selbst um einen positiven Fokus bemühe, mir die ausführliche Schilderung von Horrorszenarien nicht gut tun oder auch andere Aspekte einer „Katastrophe“ benenne, schaffe ich auch damit (automatisch, aber eben oft ungewollt) Abstand.
Es ist für mich inzwischen regelrecht schmerzhaft, ein Nähebedürfnis wahrzunehmen, es aber nicht erfüllen zu können, weil ich mich in den Gesprächen sonst verbiegen und mich von mir selbst entfernen müsste, was ich nicht mehr möchte.
Und ich frage mich, wie anders die Gespräche wohl verlaufen würden, wenn jeder sich dafür öffnen würde, über sich selbst und die eigenen Gefühle zu sprechen oder über das Miteinander oder über Sachen, die man gemeinsam tun oder entdecken kann! Dabei ist es gar nicht nötig, einen tiefen Seelenstriptease hinzulegen, aber ich glaube immer mehr, dass Nähe nur möglich wird, wenn wir bereit sind, ein bisschen etwas von uns selbst zu zeigen. Mir geht es jedenfalls so, dass mich mein Gegenüber interessiert mit dem, was er oder sie als Mensch erlebt und empfindet, und nicht, was sein Nachbar für einen Mist baut oder wie schrecklich die Frau vom Onkel der Schwester des Freundes ist oder dass doch alle Promis Kaviar zum Frühstück essen und wie furchtbar das ist… Solchen Gesprächen entziehe ich mich immer mehr, denn sie nähren meines Erachtens niemanden, weder den Redner noch den Zuhörer.
Achten Sie doch einmal selbst darauf, in welchen Gesprächen Sie anderen Menschen näher kommen und wodurch Sie selbst andere näher an sich heranlassen können – ich denke, je mehr Gespür wir dafür entwickeln, desto häufiger werden wir tatsächlich Nähe erleben können.
Ich denke, wir Menschen sind oft ein wenig „ungeschickt“, in der Art wie wir uns ausdrücken und wie wir unsere Gefühle hinter Worten und Handlungen verstecken. Hinzu kommt, dass das was man selbst fühlt, denkt und sagt, oft etwas ganz anderes ist, als das, was beim Gegenüber ankommt.
Wahrscheinlich stimmt es deshalb, dass Gespräche oft das Empfinden von Nähe verhindern, oder zumindest Teile der Gespräche dieses Empfinden stören. Es ist dann, wie wenn jemand im Klavierkonzert, wenn wir gerade die Musik genießen, plötzlich die falschen Akkorde anschlägt.
Wahre Nähe liegt deshalb oft außerhalb des Gesagten, oder überall zwischen all den Worten, die unsere wahre Befindlichkeit sowieso oft nur verschleiern.
Danke für die Gedankenanregung Tania 😉
Danke liebe Tania, es war absolut passend für heute für mich und ich werde versuchen, mit meinem „Gegenüber“ ein Gespräch zu führen, was uns weiter bringt oder für Klarheit sorgt. Es geht um Nähe und Verständnis und wir sollten uns bei Herzenmenschen über unsere Wichtigkeiten im klaren sein und wie heißt es immer: Nur fragenden Menschen kann geholfen werden. Wie oft reden wir um den heißen Brei, nur um zu reden und hatten dann „einen schönen Abend“ und haben doch nichts gesagt, was im Herzen geblieben ist.
Wie oft reden wir lieber über andere Menschen nur um von uns selber abzulenken.
Du hast mich mit Deinen Worten gestärkt, die Richtung einzuschlagen, in die ich sowieso gehen wollte, danke. 🙂
Liebe Tania,
deine Zeilen sprechen mir aus der Seele. Auch ich mache mir immer wieder Gedanken darüber, was ich dafür tun kann, ein Gespräch für beide möglichst lebendig, bereichernd, das Schöne hervorhebend, ja, und auch nähestiftend zu gestalten. Es gehört Feingefühl und v.a.auch Mut dazu, nicht einfach nur zu reagieren, sondern das Gespräch bewusst zu lenken, Dinge an- & auszusprechen oder auch mal gewohnte Kommunikationspfade zu verlassen.
Meine Schwester empfing neulich eine Freundin mit Wein, Nüssen und den Worten: „Heute möchte ich mal nicht über das sprechen, was uns gerade nervt oder was alles schief läuft. Lass uns über neue Dinge reden, über das was uns erfreut, unsere Träume zum Beispiel.“ Es folgte ein intensives, beide beglückendes Beisammensein, das im Wald endete. (Meine Schwester lernte auf einer Eichel zu pfeifen.)
Auch wenn in einer Runde destruktiv über Dritte gesprochen, sprich gelästert wird, mache ich gute Erfahrungen damit, einfach auch mal nichts zu sagen, sprich kein Feuer in die Situation zu geben. Oft endet das Gesagte dann auch wieder.
Alles Liebe für dich, und: Schreibe bitte weiter:-)!
Herzlich, Carolin
Ganz herzlichen Dank für Eure Kommentare! Sie regen auch mich wieder zum Nachdenken an. Besonders spricht mit gerade das mit dem Mut an, den es braucht, Gespräche anders als vielleicht gewohnt zu gestalten. Ja, den braucht es. Und nicht immer stößt das auf Begeisterung, keine Frage.
Sicher etwas, das mich noch öfter beschäftigen wird.
Herzliche Grüße an alle,
Tania
Tania, du schreibst treffend zu einem nicht oft beschriebenem Thema. Gern mehr
Danke, Inga, ja, da ist auch tatsächlich noch mehr zu diesem Thema, denke ich … Bin dran!
Lieber Gruß,
Tania
Liebe Tania!
Mich beschäftigt dieses Thema auch gerade sehr. Ich kommuniziere gerne und eben auch nicht mit Gemeinplätzen. Manchmal warte ich sehnsüchtig, dass mich ein lieber/e Freund/Freundin kontaktiert bis ich endlich den Mut aufbringe und selber Kontakt aufnehme. Oft strahlt mir dann unerwartete Freude entgegen und ich bin ganz überrascht darüber! Kann es sein, dass wir versuchen sollten, den ersten Schritt zu wagen, zuerst die Hand zu reichen, wenn der Karren anscheinend durch Mißverständnisse verfahren ist?
Deine Texte motivieren mich immer wieder über ganz wesentliche Lebensthemen nachzudenken. Ich versäume keinen deiner Beträge und krame oft genug in älteren Ausgaben herum!
Als Frau aktiv zu sein erfordert ganz viel Mut. Da hängen uns noch so althergebrachte Benimmregeln aus Zeiten nach, in denen die Mädchen außer sticken und kochen gar wenig lernen durften.
Liebe Grüße!
Anne
Liebe Anne,
wieder ein ganz herzliches Dankeschön für Deine Zeilen und die schöne Rückmeldung. Ich freu mich sehr!
Zum Thema selbst: Ja, ich glaube schon, dass es gut ist, immer wieder auch von sich selbst auf andere zuzugehen, das Warten allein macht so passiv. Aber, das ist zumindest meine Erfahrung, nicht jeder mag sich auf, ich nenne es mal „tiefere“ Themen einlassen. Das gilt es dann wohl zu akzeptieren, genau wie die Distanz, die dadurch entsteht. Ich schau mich mehr und mehr nach Menschen um, die keine Angst vor Tiefe und Kontakt haben, denn die gibt es und die tun mir gut!
Ein lieber Gruß zurück,
Tania
Liebe Tania, manchmal spüre ich, dass ich anderen „gut tun“ kann, indem ich meinem Gegenüber einfach in die Augen schau und nur frage: Wie geht es Dir? Es braucht echte Anteilnahme, dann merkt dies der andere und öffnet sich. Ich habe dann oft Begegnungen mit Menschen gehabt, denen ich mich eigentlich gar nicht zuwenden wollte, die sehr in die Tiefe gegangen sind und wo sich mir eine neue Welt eröffnet hat. Dabei tut es mir gut, immer locker und ruhig zu bleiben, sonst wirkt es so angestrengt. Ich bin gläubig geworden durch frühere Schüler, die mich in der Zeit meiner Krankheit einfach in den Arm genommen und nur zugehört haben und mir damit die Liebe Gottes und seine Wertschätzung für mich übermittelten. Alles Liebe Dir
Liebe Tania, dankeschön für Deine An – und Aus-Sprache zum Thema
„Nähe und Distanz im Gespräch“.
Ich habe mich in Deinen Zeilen wiedergefunden. Ich achte seit Jahren immer mehr und intensiver auf „Tiefe, Ehrlichkeit und Mut im Gespräch“.
Doch oft gerät die Kommunikation mit meinem Gegenüber ins Wanken, weil MEIN persönlicher Fokus zum Leben ins Positive gerichtet ist. Mein Gesprächspartner entgegnet mir mit Unverständnis und es entsteht Abstand. Die Distanz ist in diesem Moment durch Wahrheit geboren. Ein weiterführendes Gespräch nicht mehr möglich. Und es ist mir bewußt, für diese Distanz bin ich mitverantwortlich, weil ich zu mir gestanden habe. Ein Verbiegen meiner selbst, um Gefallen beim anderen zu erhalten, das lebe ich nicht mehr. Dann lieber weniger Kommunikation, dafür aber tiefe und ehrliche Gespräche. Dann ist es auch ein Austausch und kein „zwanghaftes Schönreden“. Ich lerne immer mehr, mir treu zu bleiben.
Liebe Tania, ich freue mich auf ein „mehr“ von Dir und auch zu diesem Thema zu lesen.
Eine gute Zeit für Dich, herzlichst
Christina
Hallo Tania!
Ich habe nun nicht deine ganze Seite studiert… kann es sein, dass du hochsensibel bist?
Ich bin es, ich kenn diese Thematik und es hat sich mit der Zeit automatisch ergeben, dass meine Freunde (meist) auch hochsensibel sind und damit finden ganz von alleine Gespräche mit Tiefgang statt.
Das heisst auch nicht, dass man immer der gleichen Meinung ist… aber es entsteht auf jeden Fall Nähe und es ist auch möglich, eine andere Meinung einfach mal so stehen zu lassen und zu akzeptieren.
Die Kontakte, bei denen keine wirkliche Kommunikation stattgefunden hat, sind von alleine im Sand verlaufen, bzw. habe ich mich auch nicht mehr darum bemüht.
Liebe Grüsse
Anouschka
Liebe Tania! Vielen Dank für deine Zeilen. Langsam aber stetig lese ich mich durch deine vielen Artikel. Auch mir fällt es in letzter Zeit auf, wie viele oberflächliche Gespräche geführt werden. Und doch gibt es sie – die Momente, die man als sinn- und kraftvoll erfahren darf. Dieses ewige „Gejammere“ obwohl es uns gut geht, dieses ewige Neiden, obwohl wir alles haben (ja mehr noch – wir haben alles im Überfluß und wollen immer noch mehr) – das alles habe ich satt. Ich kann es nicht mehr hören, und wenn so ein Gespräch in meiner Nähe stattfindet, gehe ich oder ich verschließe mich innerlich. Ich gehöre da einfach nicht mehr dazu, mache nicht mehr mit. Ich werde es nie begreifen, was Menschen dazu bringt, sich ein ganzes Leben lang vorzujammern, wie schlecht sie es selbst haben, und wie „böse“ alle anderen sind, weil sie scheinbar alles haben. Besitz ist heutzutage das größte Gut, es ist das scheinbar erstrebenswerteste auf der Welt.
Wie schön doch vor einigen Tagen das ganz spontane Treffen mit meiner Nachbarin war: zuerst telefonierten wir, und dann sagte ich: „Hast du nicht Zeit auf einen spontanen Kaffee?“ Sie sagte „Ja“. Kurz darauf hab ich bei ihr angeläutet, und ich fragte sie: „Kommst du zu mir oder soll ich zu dir kommen?“ „Ganz egal, bei mir schauts zwar noch aus, weil ich noch nicht zum Zusammenräumen gekommen bin, aber du kannst ruhig herein kommen.“ Wir tratschten lange und stellten fest, dass es genau das war, was zählt. Es ist doch ganz egal, ob zusammen geräumt ist oder nicht. Ob die Stiegen nun gewischt sind oder ob noch Geschirr herum steht oder nicht. Es geht darum, sich Zeit zu nehmen füreinander und dem anderen zuzuhören. Zeit, um zu fragen: Wie geht es dir? Und ein wenig mehr vom anderen zu erfahren, welche Werte er lebt und was ihm wichtig ist. Wir werden in Zukunft ganz sicher öfter „spontan“ Kaffee trinken. Und Gespräche führen, die im Herz bleiben.
Liebe Birgit,
das klingt wundervoll mit Deiner Nachbarin – ja, ich denke, von so etwas könnten wir alle mehr gebrauchen!
Herzlich,
Tania
Ich habe heute erst deine Seite entdeckt und hab mich schon verloren in den wundervollen Artikeln.
Ich bin in vielen Gesprächen inzwischen aussen vor, weil ich keine Lust mehr habe auf Katastrophen und Negative Nachrichten. Ich lese seit 2jahren nur noch positive Nachrichten und bemerke das in meiner Welt eine gute Grundstimmung vorherrscht. Und das denke ich ist wichtig… keine Angst mehr gemacht zu bekommen. Es gibt einen netten Spruch dem ich gerne Folge „bewahre mich vor der Einbildung bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen.“.
Nur heute fühle ich mich echt inspiriert von dir liebe tania. Werde sicher Leserin deines Blogs. Danke !!!
Liebe Anna,
ich freue mich sehr, dass Du hierher gefunden hast!
Ganz herzlich,
Tania