Braves Mädchen, böses Mädchen?

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Braves Mädchen, böses Mädchen?

Ich war eigentlich immer ein ziemlich braves Mädchen. Zumindest habe ich viel dafür getan, brav zu sein. Ich war gut in der Schule, gut auf der Uni, erfolgreich in meiner Selbstständigkeit. Ich habe immer versucht, Erwartungen zu erfüllen, nicht über die Strenge zu schlagen, nicht ungerecht oder unfair zu sein und meine Fehler immer gleich einzugestehen, mich zu entschuldigen und sie doppelt und dreifach wieder gut zu machen. Immer war ich bereit, „an mir zu arbeiten“ (davon ausgehend, irgendwie wohl falsch zu sein), mich zu ändern, mich auszurichten. 

Nichts Schlechtes, sollte man denken. 

Nichts Schlechtes, solange man nicht die andere Seite der Medaille anschaut. Denn die andere Seite zeigte Hässliches:

  • Zum einen meine knallharten Gegenerwartungen an andere, die ich heimlich für mein Bravsein forderte (wie z.B. Liebe, Sicherheit, Loyalität usw.)
  • und zum anderen die zunehmende Selbstverleugnung, die nötig war, um auf diese Weise brav sein zu können. 

Je klarer mir wird, dass ich meinem Anspruch brav zu sein, mit einem sehr hohen Preis bezahle, kann ich ihn Stück für Stück loslassen. Und damit komme ich endlich weiter in meinem meinem Wunsch, für mich einzustehen und gut für mich zu sorgen. Denn manchmal muss man „böse“ sein. „Böse“ im Sinne von unbequem oder auch laut, weil man sich Gehör verschaffen muss, wenn andere über einen hinweggehen oder nicht zuhören wollen. Wenn man alte Muster aufbrechen will und Erwartungen an einen nicht mehr erfüllen will. 

Ich erkenne, dass ich versucht habe, mir die Zuneigung anderer Menschen darüber zu erkaufen, dass ich ihre Erwartungen und Wünsche an mich erfüllte. Bis zu einem gewissen Grad funktionierte das, aber es brachte mir weder die Sicherheit, die ich anstrebte noch wirkliche Liebe, denn die Zuneigung galt dem Bild, das ich erschuf, nicht wirklich mit als Mensch und Person. Und mehr noch: auch ich war in meinen Zuneigungsbekundungen nur bedingt ehrlich, denn ich hatte viel zu viel Angst davor, verlassen zu werden als dass ich mich hätte ehrlich fragen können, ob ich wirklich liebe. 

Heute bin ich mir selbst nah genug, dass ich es wage, den Abstand ertragen zu können, der entsteht, wenn ich sage: „Das sehe ich anders“ oder „Nein, das möchte ich nicht.“ oder auch „Bitte hör auf damit, das tut mir nicht gut.“ Damit bin ich zwar nicht mehr das brave Mädchen, das ich sein wollte, aber ich bin ehrlicher – ehrlicher mir selbst und anderen gegenüber. Und das ist etwas Gutes. 

7 Kommentare

  1. Liebe Tania,

    grad heute paßten deine Gedanken und Inspirationen über brave und böse Mädchen wieder für mich und es tut gut zu fühlen, das es Menschen gibt, die mir wie aus meinem Herzen sprechen.

    Letztlich merke ich dadurch immer häufiger, das es zwischen uns Menschen KEINE wirkliche Trennung gibt, das wir ALLE aus einer Quelle stammen und es Illusionen sind, die uns tagtäglich eine Trennung voneinander weis machen wollen…:)

    Es fühlt sich für mich so stimmig an, deine Gedanken zu lesen und sie tun mir gut! Danke!

    Vor einigen Jahren, sagte mir jemand, der die Gabe des Kartenlegens besaß, das ich „verräterisch“ bin und Probleme mit Geld hätte…
    Ohje, das traf mich irgendwie sehr, sehr tief und seither habe ich immer wieder auch Probleme MEINE Meinung über bestimmte Situationen und Menschen zu äußern, ohne das mein innerer Kritiker den Finger hebt und sagt, siehst du, wie „verräterisch“ und „böse“ du bist??…

    Naja und dann muß ich mich immer wieder selbst in den Arm nehmen, mich trösten, mir selbst Mut zu sprechen und sagen, es ist doch DEINE Meinung, du willst keinem schaden…. Sei mutig, sei ehrlich…

    Manches sitzt dann eben so tief in einem, bist du brav oder böse… Wir leben ja nur mal in der Dualität und da haben wir ALLE Anteile in uns, auch brave und böse…

    Ich glaube, so lange wir uns das immer wieder bewußt machen und das übe ich redlich,:) ich möchte MICH annehmen MIT allen Facetten meines menschlichen Seins… dann ist ALLES GUT und WER sagt überhaupt, was „brav“ und was „böse“ ist???
    Der Mensch selbst hat das „festgelegt“, bewertet und das ist für den eine dies und für den anderen das 🙂

    Als mir damals jedenfalls gesagt wurde, ich bin „verräterisch“ ohje, fühlte ich mich da vielleicht „böse“….
    Ok, die Karten sagen das, der Mensch, der mir die Karten legte sagte das… und obwohl ich das weiß, rutsche ich immer wieder mal in diese eigene „Bewertungsfalle“ hinein! 🙂

    Ich lerne immer ehrlicher auch MEINE Meinung zu vertreten und die, ist nicht verräterisch, sondern aus MEINER Sicht ehrlich und konstruktiv… und DAS ist für mich etwas Gutes!:)

    Deine Seite aufzurufen und zu lesen tut mir echt gut!
    Danke dir liebe Tania!

    Es grüßt herzlich
    Elke

    • Liebe Elke,

      wieder freue ich mich sehr über Deine Zeilen! Ganz lieben Dank.

      Und das hier: „… und WER sagt überhaupt, was “brav” und was “böse” ist???“ habe ich mich auch schon gefragt! 😉

      Ganz liebe Grüße,
      Tania

  2. Während ich deinen wunderbaren Text lese, liebe Tania, wird mir klar, dass es zum Erwachsen-werden eines braven Mädchens dazu gehört, mit dem „Böse sein“ (Im Sinne von: Erwartungen dritter nicht zu erfüllen) spielen zu lernen … bis sich das RICHTIG GUT anfühlt. Es ist ein so wichtiger Teil der Persönlichkeit, mit diesen Erfahrungen stärker und authentischer zu werden. Zu zeigen „Hier bin ich – mit meinen Wünschen und Bedürfnissen… Ich WILL und DARF es sein!“ Sonntagsgruß von Marion

    • Ja, genau so ist es, Marion.

      Alles Liebe,
      Tania

  3. Liebe Tania,

    auch ich gehör(t)e zu den brven Mädchen und kann mich so gur in das einfühlen, was du schreibst.

    Ich befinde mich mit Mite 30 endlich in diesem Umwandlungsprozess und stellenweise merkt man, dass andere nicht zwingend böse auf einen sind, wenn man mal NEIN sagt.

    Danke auch für all deinen anderen tollen Texte.
    Di kannst das so super in Worte fassen , was bei mir alles nur so ein Chaos im Kopf ist.

    liebe Grüße 🙂

    • Herzlichen Dank, Maren!

      Tania

  4. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die ausschließlich-braven ir-gendwann einmal (moralisch) vor die Hunde gehen, per sé die „Ge-lackmeierten“ sind.

    Ich weiss leider nicht mehr, wer es verfasst hat. Jedenfalls lau-tet der Buchtitel „Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen kommen überall hin“.

    Es reflektiert, dass vor allem wir Frauen (nur des lieben – sozia-len – Friedens willen) zur völligen Selbstaufgabe tendieren.

    Leider stirbt die allgemeine Vorstellung, WIE sich frau (im Ide-alfall) zu verhalten hat, ums Verrecken einfach nicht aus!

    Darum müssen wir uns auf die Erfolge unserer Vorkämpferinnen besin-nen, die in einmal im Traum daran gedachten, sich demütig ihrem (mitunter: unerquicklichen) Schicksal zu beugen und für IHR
    (selbstbestimmtes) Leben gekämpft haben.

    So gab es eine Zeit, in der Frauen -beispielsweise- jegliches lite-rarisches Talent abgesprochen wurde. In England haben die Brontë-Schwestern ihre Werke (z. B. Sturmhöhe oder Jane Eire) unter Män-ner-Pseudonymen herausgegeben (herausgeben müssen).

    Heute spielt bei den Autoren die Frage Mann/ Frau/ Alter/ „Gesell-schaftsschicht“/ A-/ Z- Promi oder „Nobody“ (glücklicherweise) kei-ne nennenswerte Rolle mehr!

    Was das anbelangt, müsste die Gesellschaft (auch wenn es – leider – abgeschafft wurde) in diesem Punkt „nachsitzen“!

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