Alles optimal?

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Alles optimal?

Immer wieder stolpere ich über den Begriff der „Selbstoptimierung“. Sich selbst optimieren, also daran arbeiten, besser zu werden und vor allem besser zu funktionieren. Warum? Um mehr zu erreichen, erfolgreicher zu werden und besser zu leben – das zumindest ist die Idee dahinter.

Neu ist der Gedanke nicht, Ansätze zur Selbstoptimierung gibt es schon lange. Heute aber stehen uns nicht nur Ratgeber, Anleitungen und Coaches für ein umfassendes Selbstmanagement zur Verfügung, sondern wir können unsere Selbstoptimierung darüber hinaus mit Apps der verschiedenen Art vorantreiben: Apps für das Zeitmanagement, Apps zum Erreichen von Zielen, Apps, die die Kalorien zählen, die wir zu uns nehmen und die Schritte, die wir machen, Apps, die verbuchen, was wir lesen und in welchen Stimmungen wir sind, Apps, die Buch über unsere Effizienz führen, über erledigte Ausgaben und sogar über unseren Schlaf – die Liste solcher so genannten Effizienz-Tools ist schier unerschöpflich. Und weil das noch nicht genug ist: es gibt inzwischen sogar Gadgets, mit denen man sich z.B. selbst Stromschläge verpassen kann, wenn man seine Vorsätze nicht einhält.

Schöne, neue Welt!

Wirklich?

Ich bin dabei, mein ängstlich pochendes Herz zu beruhigen: Nein, ich möchte mich nicht mehr selbst optimieren. Ich möchte nicht noch mehr leisten, nicht noch besser werden und nicht noch effizienter Ziele erreichen. Ich möchte mich nicht immer weiter perfektionieren, egal was mir dafür versprochen wird. Ich will mein Leben nicht noch besser durchplanen, um erfolgreicher zu werden. Ich will nicht noch besser funktionieren, denn: Ich bin keine Maschine, meine Persönlichkeit ist kein Gerät und mein Leben keine To-Do-Liste.

Was ich möchte? Ich möchte wieder wilder werden und noch viel bunter und freier. Ich will aus der Reihe tanzen und ein bisschen schräg sein. Ich will auch mal scheitern und auf die Nase fallen. Ich will auch mal nicht passen und auch mal keine Erwartungen erfüllen, nicht meine und nicht die der anderen. Ich will den Druck auflösen in Konfetti, all die vielen Ansprüche in ein breites Grinsen und statt zu funktionieren will ich mit jeder Phase meines Seins lebendig sein. Dafür brauche ich keine Systeme, keine Apps und keine Gadgets, dafür brauche ich nur etwas Mut und vor allem brauche ich mich selbst.

Ob das optimal ist? Und ob!

3 Kommentare

  1. absolut genial, spot-on ,einfach LEBENDIG !
    Danke liebe Tania!
    wir(allgemein )entwickeln uns computer-technisch zu schnell für unser eigenes „Sein „-und die Probleme ,die daraus entstehen ,sind ja überall,weltweit zu sehen .
    Seit wann ist der Mensch für Optimieren (bis wohin eigentlich ?Ziel?),Automatismen ,to-do -lists und „gadgets“ gemacht ??
    Wer setzt die Messlatte an ?
    Ohne i-phone nur Langeweile?
    was???
    P:S was passiert,wenn kein Strom da ist,um all die Geräte zu laden ?
    Ich bin auch Nutzer der Kommmunikations-Geräte(PC,smart phone) ,
    aber sie dürfen keine lebendigen, echten Freundschaften ,Beziehungen -schlicht das echte LEBEN ersetzen.

    ja zu kreativer sein , Natur erleben ,Leben spüren ,dankbar sein in
    allem !

    herzliche und nachdenkliche Grüsse
    Heide

  2. Liebe Tania,
    ich bin ja gerade erst auf Deine Seite gestoßen und lese mich nun an Deinem Blog entlang. Und zu jedem Beitrag könnte ich einen Kommentar schreiben, der immer ähnlich ausfallen würde: Danke, dass Du so großartig auf den Punkt bringst, wie sich das Leben für mich anfühlt und lebt. Ich habe oft den Menschen in meiner Nähe versucht, zu erklären, wie ich mich fühle. Warum ich zuweilen so “überempfindlich“ reagiere, in Tränen ausbreche, gestresst bin, etc. wenn nach all meinen Bemühungen, auf andere und die Gesamtsituation hilfreich zu reagieren meine Akkus leer waren und in der Zeit vielfach über meine Grenzen gegangen wurde.
    Und dann haben die Menschen mich gehört, vielleicht Mitleid mit mir gehabt, aber letztendlich fanden sie mich nur zu empfindlich. Kein Wunder, sie können nicht nachvollziehen, was ich bis zu diesem Zusammenbruch alles geleistet und ertragen habe. Und jetzt schreibst Du so anschaulich, wie es mir geht. Das ist so wunderbar erleichternd. Nicht ich mühe mich vergebens, mein Fühlen zu erklären, da schreibt es jemand auf und ich darf lesen und mich verstanden fühlen. Das macht in meinem sich eigentlich gerade so schwer anfühlenden eine seltene Leichtigkeit. Tausend Dank Dir.

    • Ach schön, Anja, das freut mich sehr. Ich kenne dieses Gefühl, sich nicht wirklich verständlich machen zu können, so gut, und auch, wie es sich anfühlt, sich verstanden zu fühlen.

      Ganz herzlich,
      Tania

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