Achtsamkeit versus Leistung

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Achtsamkeit versus Leistung

In diesen Tagen verliere ich sie immer wieder: meine Achtsamkeit. Ihr gegenüber stehen nämlich eine Reihe von Anforderungen, denen ich gerade nachkommen muss, und die mich mal wieder vor allem zu einem bringen: dazu, gut zu funktionieren. 

Oft scheint es mir so, als schließen sich meine Funktionsfähigkeit und meine Achtsamkeit gegenseitig aus, als gäbe es also nur das eine oder das andere.

Wenn ich etwas schaffen will, spüre ich nicht mehr in mich, schiebe Bedürfnisse und vor allem Bedürftigkeiten weit weg, erlaube mir kaum Schwächen oder Nachlässigkeiten und unterdrücke Wünsche und Sehnsüchte in mir genauso wie Albernheiten, Flausen und kindliche Einfälle. Ich schaffe damit eine rationale und kühle Atmosphäre, in der mein Verstand und meine Selbstdisziplin Hand in Hand arbeiten. Das befähigt mich dazu, nicht nur effektiv, sondern vor allem auch effizient zu sein und damit werde ich sehr leistungsfähig. Gleichzeitig macht mich das hart, denn ich kann mir all die „Spinnereien“, die mich eigentlich doch so sehr ausmachen und die vor allem mein Leben so bereichern, nicht erlauben. Sie stünden meiner Zielstrebigkeit im Weg, würden mich Zeit kosten und ablenken. Also schneide ich mich ab vom Fühlen. 

Als mir das erste Mal klar wurde, wie ich bin, wenn ich mich auf Leistung trimme, bekam ich einen Schreck. Denn nie hatte ich mich so gesehen und nie hatte ich so sein wollen! Aber ich erkenne: Ja, auch das gehört zu mir. Ich weiß, dass mir diese Fähigkeit sehr viel ermöglicht, und deshalb bin ich dankbar dafür.

Aber inzwischen ist mir auch der Preis, den ich dafür zahlen muss, sehr bewusst. 

Für dieses Mal ziehe ich das Funktionieren wie gewohnt durch, denn ein Ende ist absehbar. Aber ich verstehe, dass wenn ich nicht aktiv beginne um meine Achtsamkeit zu kämpfen, ich sie immer wieder und wieder verlieren werde, wenn ich gefordert bin. Freiwillig wird meine Selbstdisziplin nichts dulden, das sie mindern könnte.

Ich wünsche mir für die Zukunft, einen Weg zu finden, etwas leisten zu können, ohne mich dabei zu verlieren. Dass ich tatsächlich auch etwas schaffen kann, wenn ich bei mir bleibe, diese Erfahrung durfte ich schon machen. Auch wenn ich dann deutlich weniger effizient bin (dafür aber lebendiger und sooo viel zufriedener), möchte ich lernen, auch unter großen Anforderungen ein offenes Ohr für mich selbst zu behalten, achtsam zu sein und vor allem im Fühlen bleiben zu können.  

4 Kommentare

  1. Liebe Tanja

    Es gibt einen Blog, der „Geist und Gegenwart“ heisst. Im Untertitel steht: Erkenne dich selbst und der Rest kommt (fast) von alleine.

    Diese Erfahrung mache ich auch, fast tagtäglich: Wenn ich mich selbst erkenne, d.h. wahrnehme, was da eigentlich gerade passiert, was ich mache, wie ich eventuell wieder in alten Mustern bin … wenn ich all das erkenne, ist das fast schon die Hälfte der Miete.

    Und alles, was ich dann „machen“ kann: annehmen. Zutiefst annehmen.

    Das öffnet den Weg für Handlungsalternativen. Die ich manchmal nutze, manchmal nicht. Immer öfter nutze.

    Ihnen alles erdenklich Gute und vielen Dank für Ihre Authentizität.

    Cordialement, Mlle Melony

    • Ganz herzlichen Dank,
      Tania

  2. Hallo,
    ich muss auch zu diesem Artikel noch schnell etwas schreiben. Ich habe auch seit Wochen das Gefühl – bzw. sage es ständig: „Ich habe mich verloren! Ich weiß nicht mehr wer ich bin!“ Ich denke ich bin nun auf dem richtigen Weg zu lernen, wie’s weiter geht. Ich hab nur unheimliche Angst davor! Vor ca. 15 Jahre bin ich noch meinem „Ich“ gefolgt – denke ich zumindest. Aber jetzt hänge ich so sehr in festen Zwängen, Strukturen und Funktionieren müssen fest, dass ich keinen Ausweg mehr sehe, ohne andere zu verletzen – dort auszubrechen. Und das ist glaube ich dass, was ich wahrscheinlich nicht aushalten kann. Alles allen Recht zu machen! Den Schein zu wahren! Das „Liebe“ und „Nette“ Mädchen zu sein. Ach: „Das hätten wir nie gedacht“ kommt ganz sicher. „Ihr geht’s zu gut. Sie hat doch alles, was will sie denn.“
    Liebe Grüße
    Manuela

    • Hallo Manuela,

      ich denke, das so zu erkennen, ist schon ein erster wichtiger Schritt. Und im zweiten Schritt hilft mir, darüber zu reden. Es einfach zu benennen, auch damit ich es nicht selbst gleich wieder wegwischen kann.

      Herzlich,
      Tania

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